London im November 2022. Einige Freunde und mich hat es für ein paar Tage „einfach mal raus“ in die britische Hauptstadt verschlagen und wie es der Zufall so will, spielen Fizzy Blood an einem der Tage in der Stadt. Also möchte ich sie bei ihrer Show im Colours überraschen, wenn sie dort ihr kommendes Album Pan Am Blues vorstellen. Am Tag des besagten Konzertes laufe ich Ciaran, dem Bassisten der Band aus Leeds, am Bahnhof King’s Cross in die Arme – es ist nicht zu fassen! Wir freuen uns über diesen unglaublichen Zufall und beschließen, kein Wort über diese Begegnung zu verlieren. Ein paar Stunden und schöne Momente später, denn London weiß noch immer zu begeistern, spaziere ich in den Backstage: „Na, sieh mal einer an! Da sind sie ja!“ Die Jungs flippen aus und die Truppe ist wieder zusammen. Nach beinahe drei Jahren.
Nach dem Soundcheck trudeln auch meine Freundinnen aus Hamburg ein und ein paar Vorstellungsrunden später geht die Party los! Das Konzert macht schon ordentlich Spaß, als Flavour of the Month losgeht.
My flavour of the month
Enough is not enough
Hopelessly devoted to what’s in
my headNever gave a thought to
consequence
No smoke without fire
Fizzy Blood – Flavour of the Month
Und wie dieser Song losgeht! Von den Ohren direkt in die Beine, übernimmt dieser Song die Kontrolle über unsere Körper und wir tanzen wie wild in unserer kleinen Truppe. Flavour of the Month – absolute Tanzfreigabe! Von da aus geht es weiter durch den bunten Songkatalog der Band, bis Fizzy Blood das Konzert mit ihrem Knaller-Song beenden: January Sun
Viel Schweiß und viele Biere später, kommen wir am Tisch zu einem kleinen Gespräch zusammen, setzt euch doch dazu!
Das interview
Erinnert ihr euch noch an unser letztes Treffen? Dezember 2019?
Jake: War es das mit den Aluhüten? Das war wirklich eigenartig!
Also, was ist in der Zwischenzeit alles passiert?
Tim: Oh Gott.
Paul: Das ist eine wirklich große Frage!
Jake: Es gab da diese globale Pandemie, von der wir bestimmt alle gehört haben.
Benji: Was?
Paul: Da ist diese Sache mit dem Namen Covid passiert.
Tim: Gab es das auch in Deutschland?
Paul: In Deutschland ging das schon früher los, oder?
Tim: Also René, das ist passiert. Wir haben damals ein Album aufgenommen, gerade als das losging. Und dann haben wir uns gefragt, was wir nun mit diesem Album machen.
Jake: Also haben wir uns erstmal verpisst.
Benji: Es war schon so lange geschrieben.
Wann habt ihr dem Album den letzten Schliff gegeben?
Paul: Ich kann mich nicht an den genauen Tag erinnern, an dem wir gesagt haben: Es ist fertig. Aber ich glaube, es war im Sommer letzten Jahres.
Und an welchem Song habt ihr zuletzt gearbeitet?
Paul: Der Song, den wir zuletzt fertig gestellt hatten, war …
Jake: Centre of Nowhere.
Tim: Yeah.
Paul: Das war der letzte Song, den wir aufgenommen hatten. Den letzten Track, den wir gemastert und gesagt haben, dass das Album fertig ist, das war nicht Centre of Nowhere. Das war der erste!
Jake: Das Mastern ist sowieso nicht sonderlich spannend.
Paul: Aber da haben wir gesagt, dass das Album fertig ist. Ich meine, es war Last Orders. Ich glaube, wir haben sie einfach der Reihe nach fertig gemacht.
Benji: Wie langweilig!
Alle müssen lachen.
Da wir schon von den neuen Songs sprechen, wie waren die Reaktionen aus dem Publikum? Also heute, aber auch in den letzten Nächten.
Benji: Die waren gut, die Leute haben sie gemocht. Definitiv!
Ciaran: Ich denke, dass wir wussten, das die alten Stücke noch immer gut ankommen. Aber es war schön, auf dieser Tour die Reaktionen der Leute auf die neuen Lieder zu sehen.
Benji: Wir sind da sehr verletzlich, wenn es um die neuen Songs geht. Und wir zeigen da eine Seite von uns, die wir vorher nie gezeigt haben.
Von January Sun zu Ka Palaho Beach – was zur Hölle?!
Wieder müssen alle lachen.
Benji: Ich verstehe schon. Ich weiß, dass einige Leute das nicht gut finden und das ist total in Ordnung. Denn klar, es kann ein wenig verwirrend sein, wenn man zu Songs wie January Sun zurückschaut und sieht, was wir nun machen. Aber bei den Konzerten hat es niemandem nicht gefallen. Und wenn, dann haben sie nichts gesagt (erneutes Gelächter).
Jake: Das ist wirklich nett!
Benji: Auf unseren Shows sind nur nette Leute.
Ciaran: Ich denke, dass die Leute wissen, was sie erwartet, wenn sie nun zu unseren Konzerten gehen.
Benji: Die Leute wissen, dass wir etwas seltsam sind.
Ciaran: Und sie mögen das alte Zeug. Aber bei den Konzerten hören sie auch den neuen Stücken zu, was wirklich toll ist. Sie unterstützen uns.
Jake: Wir denken auch nur, dass es seltsam ist, weil wir mittendrin sind. Viele Bands haben wesentlich seltsamere Sachen als wir gemacht.
Benji: Es ist auch beängstigend, weil es so neu und anders ist. So etwas haben wir noch nie gemacht.
Ciaran: Und wir waren seit vier Jahren nicht mehr auf Tournee.
Benji: Denn wenn wir die neuen Stücke spielen, da merken wir selbst, dass es nicht so laut und die ganze Zeit Vollgas ist. Du kannst die Leute im Publikum hören. Das ist schon seltsam.
Jake: Wir sind eine ganze Zeit gut damit davongekommen, einfach mit voller Energie abzuliefern. Und nun fällt uns auf, dass wir auch gut klingen müssen.
Paul: Wir entwickeln andere Fertigkeiten. Zum Beispiel beim Songs schreiben, aber auch bei allen anderen Dingen. Wir haben uns lange sehr wohl gefühlt, diese eine Sache zu machen, aber nun haben wir uns aus der Komfortzone herausbewegt.
Tim: Ich denke, dass die neuen Songs uns die Möglichkeit geben, auch mal neue Dinge auszuprobieren. Ich hatte noch nie Tamburin auf der Bühne gespielt und es gefällt mir total! Besser habe ich noch nie fünf Pfund investiert. Und ich möchte jeden dazu ermuntern, sich auch ein Tamburin für fünf Pfund zu besorgen!
In einem anderen Interview habt ihr erzählt, dass die Band kurz vor der Auflösung stand. Das war ein ganz schöner Schock!
Paul: Wir haben da nie drüber gesprochen, es war einfach nur so ein Gefühl.
Benji: Es war so ein Gefühl, es fühlte sich an wie das Ende von etwas.
Jake: Da war so ein gähnendes Loch und wir wussten nicht, wie wir es füllen können. Und wir dachten nicht, dass es mit Musik gefüllt wird. Aber so kam es dann und das ist schön.
Benji: Ich meine, wir haben uns nie hingesetzt und …
Paul: … haben gesagt, wir lösen die Band auf. Aber ich denke, das war der Elefant im Raum.
Benji: Wir haben den Elefanten einfach erschossen!
Paul: Wir haben ihm verdammt nochmal ins Gesicht geschossen!
Die ganze Truppe bricht in lautes Lachen aus.
Tim: Ernste Antwort auf deine Frage. Es wird etwas härter, wenn du kein Student mehr bist. Denn als wir die Band gestartet haben, waren Ciaran und Jake nicht mal alt genug, um in den Bars in Amerika zu trinken.
Paul: Ich musste den Alkohol für euch kaufen und in eine Papiertüte packen.
Tim: Wenn du 20, 21 bist, ist das super einfach zu sagen: Ach, ich gehe für sechs Wochen auf Tour und das ist total in Ordnung. Aber wenn du Verantwortung hast, dann ist das viel härter.
Jake: Es wird wirklich schnell viel härter.
Tim: Ja, genau! Und die guten Shows sind super und etwas, was man zu schätzen weiß, aber die schlechten Konzerte sind tatsächlich wie Heroin und sind wirklich viel härter als früher. Ich denke, das kann man so sagen.
Vor ein paar Monaten habt ihr mir erzählt, dass ihr nicht ohne die Platte im Gepäck auf Tour gehen wollt.
Was hat euch nun auf die Straße getrieben?
Paul: Wir wollten es einfach machen. Das Album sollte nicht pünktlich herauskommen und wir hatten diese Daten gebucht und haben uns dann gedacht: Lasst es uns einfach machen. Aus Spaß an der Freude.
Benji: Es ist wie eine Pre-Album Tour. Ich hoffe, dass wir, wenn das Album draußen ist, nochmal auf Tour gehen können. Das ist jetzt eine kleine Werbetournee.
Paul: Wir machen das mehr für uns, als für jemand anders.
Benji: Ja man, es ist einfach Spaß – wir haben Spaß!
Jake: Und beim nächsten Mal, wenn wir dann hoffentlich auf Tour sind, können wir auch mehr Songs vom Album spielen, weil die Leute die Lieder kennen. Das wäre wirklich schön.
Paul: Oh ja, einige der Songs würden wirklich viel Spaß machen!
Könntest du einen dieser Songs nennen?
Paul: When It All Falls Apart. Den würde ich wirklich gerne live spielen.
Und dann geht alles ganz schnell. Die Jungs müssen sich beeilen, weil wir bald den Laden verlassen müssen. Aber das ist egal. Das Leben ist besser in Farbe. Und mit euch.