Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Hanse Song Festival 2024 (ein Bericht)

Das Hanse Song FestivaL

Der Festivaltag in Stade beginnt für uns bereits einige Stunden vor dem offiziellen Start des Festivals. Und dies scheint nicht nur für uns zu gelten. Die Mittagsstunde ist gerade durch, da sitzen tatsächlich bereits die ersten Fans auf den Treppen des Landgerichtes und auch vor der St. Wilhadi Kirche warten bereits erste Musikbegeisterte. Ich kann es kaum glauben, es ist total verrückt! Vor der Kirche warten sie auf Tjark, der um 18 Uhr hier auftreten wird. Während sie warten, widmen wir uns den besonderen Spielstätten, denen wir später einen Besuch abstatten wollen. Die Sonne scheint, die ersten Fotos des heiteren Maitages gelingen und beim Durchhören der offiziellen Playlist wird eines schnell klar: Es gibt beim Hanse Song Festival zu viele interessante Acts, die für reichlich Überschneidungen und am Ende für die Qual der Wahl sorgen werden…

Act 0

Act Nummer 0 an diesem Tag sind die Tiny Wolves. Als Überraschung und Festivaleröffner wurde der Kinderchor erst wenige Tage vor dem 4. Mai angekündigt und dieser schafft es bereits beim Schlangestehen für das Festivalbändchen eine besondere Stimmung zu schaffen. Betterovs Dussmann oder auch Eine gute Nachricht von Danger Dan in ganz anderem Gewand geben einen ersten Vorgeschmack auf die Besonderheiten an diesem Abend. Klar, Jupiter Jones oder auch Nichtseattle werden bestimmt keine Chorgesänge auf die Bühne bringen, doch sei es ein Akustik-Set in der Kirche oder eben ein Solo-Auftritt ohne Band, heute verspricht einiges anders und besonders zu werden.

Act Nummer 1
Die Seminarturnhalle während des Hanse Song Festivals fotografiert von Renés Redekiste.

Die Seminarturnhalle in Stade.

Um kurz nach 5 Uhr stolpern wir frisch versorgt mit dem essentiellen Festivalbändchen in die Seminarturnhalle, wo Braake gerade ihr Konzert begonnen haben. Hier ist es unglaublich warm, das Bier ist dafür frisch gezapft und der Sound 1a! Zwei zu eins also, so kann es losgehen! Schon beim Vorabhören der jungen Band aus Berlin stellte sich die Frage, ob die Jungs bei Helgen in die Lehre gegangen sind. Und wenn ja, wann wurden die Schüler zu Meistern? Denn ein solches Musikspiel ohne sich zu wiederzuholen, auch wenn der Begriff Indie bereits seit Jahrzehnten abgenutzt und völlig zweckentfremdet ist, passt er hier perfekt. So klingt eine Indie-Band! Es gibt ein grandioses Gitarrensolo bei Hinter unsern Gittern und bei der Suche nach dem Verursacher ebendieses fällt mir Gitarrist Nummer eins und zwei final Gitarrist Nummer drei ins Auge. Holla, auch das sieht man nicht mehr allzu oft! Strahlende Gesichter erhellen die Bühne, denn Braake haben sichtlich Spaß und allerspätestens bei Als ich meine Tage gehen sah wird es einem klar: Der Sound sitzt so dermaßen, das Schlagzeug knallt, die Gitarren verschwimmen nicht in einem Soundbrei und auch der Gesang ist klar – es ist ein wahrer Genuss!

Braake live beim Hanse Song Festival fotografiert von René Redekiste.

Braake live in der Seminarturnhalle!

Sprich, Braake sind in grandioser Form und ihr Angebot am Merch-Stand lässt den Stader Wochenmarkt dank einer beeindruckenden Auswahl von Shirts, über Vinyl bis hin zu Postkarten beinahe alt aussehen. Da die Neugierde zu stark und die Zeit auch (noch) da ist, wagen wir uns nach dem Auftritt in das Stader Landgericht.

Landgericht Stade fotografiert von Renés Redekiste.

Das Landgericht Stade.

Act Nummer 2

Pete Astor lässt uns an seinen kuriosen Alltagsbeobachtungen teilhaben (English Weather) und sorgt im Publikum für den einen oder anderen Schmunzler. Schön ist es auf dem Boden des Saals, nur lässt die Szenerie keine besonders schönen Fotos zu. Die Richterbank hinter dem Sänger wirkt einfach zu sehr nach Büro! Würde der Halbbrite vor den wirklich zauberhaften Fenster spiele, sähe das Ganze komplett anders aus, Eine Eule hier, ein Brief dort, die Szenerie hätte mit einem Schlag etwas magisches an sich. In diesen Gedanken gefangen verrät ein Blick auf die Uhr, dass wir uns aufmachen müssen, Wolke spielen in der St. Cosmae Kirche.

Die Kirche St. Cosmae fotografiert von Renés Redekiste während des Hanse Song Festivals.

Die Kirche St. Cosmae.

Der Faktor Zeit

Und nun wird deutlich klar, was uns bereits am Nachmittag dämmerte: Es wird eng! In den nächsten gut anderthalb Stunden schwanken wir zwischen Wolke, Tristan Brusch, Nichtseattle und Rosmarin. Wo ist nur unser Zeitumkehrer?! In Ermangelung dieses heute bestimmt nützlichen Gegenstandes verlassen wir das Konzert von Wolke ziemlich schnell wieder und leider lassen mich bei dieser Gelegenheit zusätzlich meine Fertigkeiten in puncto Fotografie im Stich.

Nun in der St. Wilhadi Kirche bei Tristan Brusch wird der Sound an unseren Plätzen ganz vorne rechts dem großartigen Künstler leider nicht gerecht und somit entscheiden die Umstände, was wir vorher nicht entscheiden mochten. Hand aufs Herz, ich konnte mich nicht entscheiden, doch nun nehmen mir die Umstände – wie bereits gesagt – die Entscheidung ab und es geht in den Schwedenspeicher um Nichtseattle zu lauschen.

Der Schwedenspeicher fotografiert von Renés Redekiste während des Hanse Song Festivals.

Der Schwedenspeicher.

Glücklicherweise sind wir rechtzeitig genug vor Ort, um uns einen kleinen Snack, kühle Getränke und tatsächlich noch Plätze in der ersten Reihe zu sichern. Na wenn das mal kein Zeichen ist, alles richtig gemacht zu haben. Haus heißt das aktuelle Album von Katharina Kollmann alias Nichtseattle und nur aus eben diesem wird sie heute Abend spielen. Was dem Auftritt nichts von seiner Qualität nimmt, denn scheinbar nur die besten Lieder der Platte finden heute Abend den Weg in die Ohren des Stader Publikums. Einige dieser besagten Perlen sind: Beluga (Eigentumswohnung), Frau Sein (Werkstatt) und ganz klar Fleißig (Schloss)! Um die Einleitung dieser Passage wieder aufzugreifen: Die letztendlich gefallene Entscheidung, dem Konzert im historischen Schwedenspeicher beizuwohnen, war die Richtige. Denn so klischeehaft die folgenden Worte klingen mögen, ein solch schönes und intimes Set wie hier gibt es nicht alle Tage. 

Nichtseattle fotografiert beim Hanse Song Festival von Renés Redekiste.

Nichtseattle live im Schwedenspeicher!

Nach ehrlichem Schlussapplaus und einem kurzen Schnack am Merch geht es weiter zum vorletzten Programmpunkt des Tages.

Act Nummer …

Und das ist Brockhoff! Für ihr Konzert finden wir uns erneut in der Seminarturnhalle wieder, doch nachdem wir zu Beginn des Festivals hier noch mit einem tollen Sound verwöhnt wurden, holpert und stolpert sich die Tontechnik durch den Auftritt der Hamburger Nachwuchskünstlerin. Während sich die Band abmüht, trotz der Schwierigkeiten ein gutes Konzert zu spielen, vermerke ich auf meinem Notizblock die Worte „Sound fragwürdig“, einzig das Schlagzeug sticht pointiert hervor. Nachdem die Band um und mit Lina Brockhoff die Probleme signalisiert, wird noch einmal feinjustiert und es tritt eine ganz klare Verbesserung ein. Doch irgendwie haut es noch immer nicht so ganz hin.

Brockhoff live während des Hanse Song Festivals fotografiert von Renés Redekiste.

Brockhoff (auch) live in der Seminarturnhalle!

Schade, das kenne ich anders, schöner und runder, denn Brockhoff ist und sind live eigentlich ein einziges Fest! So kommt es also, dass wir nach der Vorstellung einer brandneuen Nummer (Cruel) – gerade hat sie noch im Studio mit ihrer Liveband dran gearbeitet – das Konzert verlassen.

Der große leise Knall
Die St. Wilhadi Kirche fotografiert während des Hanse Song Festivals von Renés Redekiste.

Die Kirche St. Wilhadi bei Tag.

Das große Finale unseres Tages ist dann das Konzert von Jupiter Jones. Nach der Auflösung im Jahr 2018 sind sie nun zurück mit den Gründungsmitgliedern Nicholas Müller und Sascha Eigner, als Verstärkung haben sie sich außerdem WIM mit in den Ring geholt. Und niemand soll heute behaupten können, dass dieses Comeback lieber nicht hätte stattfinden sollen. Reduziert auf Keyboard und zwei Gitarren, die eine elektrisch, die andere akustisch, spielt sich das Trio durch einen wundervollen Abriss der nunmehr 22-jährigen Bandgeschichte. Nicholas plaudert angenehm aus dem Nähkästchen und nach einigen Überraschungen, denn ja, Jupiter Jones funktionieren (halb-)akustisch; die Stimme des Sängers hält jeden Ton mühelos, landet die Band bei ihrem Hit Still. Ein paar Worte zur Einleitung des Stückes, der Song beginnt und ich muss gestehen _ Zwiebeln habe ich nicht geschnitten, es muss irgendetwas in der Luft sein – meine Augen bleiben nicht trocken, es war, ist und bleibt eine gnadenlos traurig schöne Nummer! Die Zeit verfliegt und nach der Late Night-Zugabe im blauen Licht bleibt nur noch Danke zu sagen.

Danke, dass ihr durch dieses Set weder gerannt, noch gestolpert seid. Und ein großes Dankeschön für die Möglichkeit, euch direkt nach eurem Auftritt ablichten zu dürfen.

Jupiter Jones beim Hanse Song Festival fotografiert von Renés Redekiste.

Jupiter Jones direkt nach ihrem Auftritt beim Hanse Song Festival.

Abgesang

Die Musikauslese des Hanse Song Festivals war großartig, die Locations wunderbar und einzigartig. Und doch verstimmte etwas die Atmosphäre des Tages: Die allgemein spürbare Hektik.

Wenn ein halbes Kirchenschiff aufspringt, um zum nächsten Auftritt zu eilen – so geschehen bei Peter Licht – obwohl das Konzert noch im vollen Gange ist, wird das den Künstlerinnen und Künstlern nicht gerecht. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit hier ein paar Stellschrauben nachzudrehen. Denn bei so vielen Überlappungen der verschiedenen Konzerte bleibt die Gelassenheit außen vor. Und das hat dieses Festival nicht verdient – zu einem schnellen Durchhuschen zu verkommen.

Deshalb spreche ich vielleicht für die Allgemeinheit, wenn ich um entspanntere Spielfenster bitte. Solche, die es eben auch zulassen, in Ruhe zwischendurch essen zu gehen, der schönen Stadt etwas mehr Aufmerksamkeit schenken zu können und auch jedem Act die Chance zu geben, vor einem Publikum spielen zu können, welches nicht auf der Flucht ist. Dennoch und natürlich ohnehin: Danke liebes Hanse Song Festival für die Möglichkeit dem Festival beiwohnen zu dürfen und ein paar Zeilen darüber zu verlieren. Trotz Heimatstadt war dies nun das erste Mal, doch gewiss nicht das letzte Mal. 

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