“Hey, ich bin Maya, die Tourmanagerin von den Giant Rooks.”
Mein vorher in den Hörer gemurmeltes “Hallo” lässt mich mich fehl am Platze fühlen. Ich schiebe ein “Guten Morgen” hinterher, setze mich auf und in diesem Moment dämmert es mir. Guten Morgen und das um halb zwei Uhr am Nachmittag, während ich noch im Bett sitze. Auweia!
Über vier Jahre ist mein Interview mit Sänger Fred bereits her und heute soll Interview Nummer 2 mit den Giant Rooks folgen. Die finalen Fragen schreibe ich in der S-Bahn nieder, spaziere über die Reeperbahn und bin gespannt, was der Abend bringen wird. Die Sonne scheint und der hastig hinuntergestürzte Kaffee an den Landungsbrücken bringt mir noch etwas Schwung.
Soviel zu mir. Der Name der Band folgt noch oft genug, also spare ich ihn einmal aus. Doch die Jungs aus Hamm (mittlerweile Berlin) spielen heute im Stadtpark, haben tolles Wetter vorausgeschickt und etwas Zeit für ein Interview mitgebracht. In diesem Sinne – GO!
Ganz simpel:
Wer seid ihr eigentlich?
Luca: Ich bin Luca, spiele Bass, bei Giant Rooks.
Finn: Ich bin Finn, spiele Schlagzeug. Auch bei Giant Rooks (ein Schmunzeln geht durch den Raum).
Luca: 2/5 der Band!
Jetzt gehen wir ein bisschen auf Tuchfühlung – Star Wars oder Star Trek?
Luca (wendet sich an Finn): Das kannst du doch am besten beantworten!
Finn: Star Wars.
Luca: Ja, da gehe ich mit. Finn kennt alle Charaktere auswendig. Oder?
Finn: So viele sind’s ja dann auch nicht.
Die wichtigen sind komprimiert.
Finn: Ja eben, die anderen sind ja immer die gleichen. Die Sturmtruppler (alle lachen laut auf).
Bleiben wir beim Privaten!
Wie hat euch Corona denn privat erwischt?
Was hat euch da am meisten gefehlt?
Luca: Vor allem diese Spontanität, die man doch vor allem in Berlin auch hat. Einfach mal zu sagen: “Ey, lass uns heute Abend rausgehen!” Vielleicht auf ein Konzert gehen oder einfach in eine Bar gehen. Irgendwie sowas. Dieses Ungezwungene … Zu wissen, man kann jetzt eigentlich nur noch zu Hause bleiben, das ist schon hart, auf lange Sicht! Das hat mir persönlich sehr zu schaffen gemacht.
Finn: Das kenne ich auch so ähnlich. Es fehlten einfach ein bisschen die sozialen Kontakte. Gerade am Anfang hatte ich das sehr eingeschränkt. Irgendwann wurde es dann ja gelockert, sodass man wieder Leute sehen konnte. Aber Aktivitäten, die man machen kann, wie zum Beispiel Konzerte, war alles nicht möglich. Fußball spielen gehen …
Luca: Bierchen trinken …
Finn: Das war was, was schon ein bisschen gefehlt hat
Kommen wir zu den Giant Rooks
Und als Band?
Wie war das? Ihr musstet immerhin eure Rookery-Tour verschieben.
Luca: Genau, die Rookery-Tour vor allem, die erste Tour zum Album. Aber auch die Support-Tour in Amerika, mit Milky Chance, die wir verschieben mussten. Wir waren gerade schon in den Proben für die Tour, es sollte drei Tage später losgehen und dann kam der Anruf – alles klar, für die nächsten Monate wird das erstmal nichts. Das ist natürlich dann erstmal richtig hart. Nach dem Album hatte man sich drauf gefreut. Aber wir hatten dann natürlich auch Zeit für uns. Und wir haben die Zeit gut genutzt, um viele Songs zu schreiben. Das war dann auf der anderen Seite eben das Positive.
Nochmal Rookery, euer Debüt-Album.
Ich denke da gerne an den Song All We Are. Wenn ich an den denke, dann denke ich sofort an Wenn es passiert von Wir sind Helden.
Da frage ich mich – was ist so romantisch am Ende der Welt?
Luca: Oah – das ist eine gute Frage! Also man muss fairerweise erstmal sagen, dass Finn, unser Gitarrist, zum größten Teil die Texte schreibt und der macht sich mit Fred immer sehr viele Gedanken. Und auf dem Rookery-Album ging es sehr viel um aktuelle politische und soziale Themen, die uns junge Menschen die ganze Zeit begleiten und wichtig sind. Sei es der Klimawandel oder Mental Health. Das waren generell Sachen, die uns besonders wichtig waren, die auf dem Album anzusprechen.
Luca: Wieso jetzt gerade so ein Weltende faszinierend ist? Finde ich irgendwie voll schwierig. Ganz doof gesagt, es ist irgendwie so ein Sehnsuchtsgefühl, um ganz dystopisch zu antworten: In einer Welt, in der so viele Krisen passieren und es so viel Ungerechtigkeit gibt, vielleicht einfach diesen Ausweg im Kopf zu haben – okay, das Ende der Welt. Und vielleicht geht es einem danach besser. Was jetzt natürlich super dsytopisch ist. Ist aber definitiv eine Sache, die man manchmal im Kopf hat.
Finn: Oder vielleicht generell, wenn du sagst, dass das auch öfter in Songtexten thematisiert wird: Irgendwie macht es ja auch Sinn, dass beim Weltuntergang, so schrecklich es auch ist, dass da auch eine romantische Komponente bei ist. Dass es dann einfach zu Ende ist. Wie es zu Ende geht, oder was man in diesen Endzügen macht. Also ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, irgendwie verstehe ich das schon. Das hat auch so ein bisschen was schönes.
Quelle: YouTube, Giant Rooks
Was würdet ihr als letztes machen wollen?
Luca: Ich glaube, ich würde mir die Because Of The Times-Vinyl von Kings of Leon auflegen und noch einmal diese 55 Minuten, oder wie lange das auch immer ist, mit meinen besten Freunden und meiner Familie hören. Ein bisschen traurig gerade (lacht).
Eigentlich voll geil! Ist doch ein super Album, oder?!
Luca: Ja, aber im Zusammenhang mit diesem “Das letzte, was man auf der Welt machen kann” … Das ist schon sehr traurig. Aber vielleicht sowas, ja.
Finn: Kann ich mithören?
Luca: Du bist auf jeden Fall eingeladen! (Alle lachen zusammen)
Thema neue Musik!
Wie viel Druck lastet eigentlich auf euren Schultern, den Erwartungen von außen gerecht zu werden?
Finn: Der größte Druck kommt von uns selbst. Dass wir selber unfassbar Bock haben weiterzumachen, neue Songs zu schreiben, neue Musik zu veröffentlichen und die natürlich weiterhin gut sein soll. Von uns als gut befunden. Dass wir auch in Jahren noch daraufgucken und sagen können: “Ey, finden wir immer noch geil! Da stehen wir noch immer voll hinter!” Ich finde, dass haben wir bislang bei allen Sachen, die wir gemacht haben, gut hinbekommen. Und das soll auch weiterhin so bleiben.
Deshalb ist das auch gar nicht so der Druck von außen, sondern unser eigener Anspruch, dass wir einfach weiterhin coole Musik machen wollen. Mit der wir gut leben können, die uns gefällt und auch in Zukunft noch immer gefallen wird. Etwas, worauf man stolz sein kann.
Luca: Ja voll! Vor allem für Rookery, unser Debüt-Album, haben wir uns so viel Zeit gelassen. Wir haben das Album mehrere Jahre aufgeschoben und sind halt so stolz drauf, dass wir das im letzten Jahr rausbringen konnten. Dadurch haben wir uns aber für neue Musik die Latte selbst sehr hoch gesetzt. Finn hat das richtig gesagt, wir sind wahrscheinlich die einzigen, die uns selber so viel Druck machen.
Gibt es Stücke von euch, welche ihr live spielt und die dann aber in der Versenkung verschwinden?
Beide: Joah.
Luca: Schon. Also live spielen wir zum Beispiel immer noch Songs, die wir auf unserem ersten Konzert gespielt haben. Aber ich meine, nachdem man neue Musik rausgebracht hat, dann will man natürlich auch die neuen Songs spielen. Da müssen automatisch ein paar ältere Songs weichen, so schade das manchmal vielleicht auch ist. Aber das macht natürlich doch mehr Bock die neuen Songs dann zu spielen!
Finn: Gerade bei noch nicht veröffentlichten Songs – wenn die einmal live gespielt wurden, heißt es nicht, dass sie auch so aufgenommen werden. Oft ist das dann eben so, dass wir noch sehr viel daran verändern. Sei es textlich oder auch musikalisch. Das Live-Gespielte ist oft nicht der finale Schliff. Da wird noch ausprobiert, wie das Stück funktioniert, wie der Song ankommt und dann wird da zum Teil eben noch ziemlich viel dran gearbeitet.
Ihr wart mittlerweile auch im Tatort zu hören.
Luca: Hamburg sogar!
Der Moment, in dem Wotan Wilke Möhring die Kopfhörer abnimmt und sagt: “Ist ganz cool, hä?!” – was würdet ihr da am liebsten antworten?
Finn: Setz mal schnell die Kopfhörer wieder auf! (Wieder lachen alle auf)
Luca: Oder – Wotan, wir spielen heute im Stadtpark, komm mal vorbei!
2017 habt ihr im Nochtspeicher gespielt und Dylan gecovert.
In der letzten Woche ist Charlie Watts verstorben.
Welchen Stones-Song würdet ihr ihm zu Ehren spielen wollen?
Finn: Das ist eine Überraschung. Das war aber auch schon davor. Wir haben so einen kleinen Witz im Set versteckt, wenn ihr ganz genau zuhört, entdeckt ihr das! Der kleine Witz ist jetzt leider Gottes zu so einer Art Hommage geworden.
Bonus-Frage:
Was war, als Band, euer aufregendstes erstes Mal?
Luca: Klar muss man sagen, dass in den verschiedenen Stadien, in denen man sich befand, immer so ein krasser Moment da war. Ich glaube einer, der wirklich hängengeblieben ist, war Great Escape.
Finn: Ja, das hätte ich tatsächlich auch gesagt.
Luca: 2017 war das. Das war unser erstes ausländisches Festival und dann direkt Great Escape, voll das legendäre Ding, in Brighton. Wir waren das ganze Wochenende da, hatten zwei Shows und da zu sein, das war irgendwie wirklich krass für uns als Band. Wir hatten so viele schöne Momente. Haben die ganze Nacht am Strand durchgemacht und saßen dann bei Sonnenaufgang immer noch am Strand. Das ist uns auf jeden Fall lange im Gedächtnis geblieben.
Fett!
Luca: Ja, das war geil!
Dem Interview folgen ein paar letzte Fotos, Finn und Luca verabschieden sich zurück in den Backstage und wir bleiben in der Sonne zurück. Erleichtert, zufrieden und ich für meinen Teil bin vielleicht auch leicht elektrisiert, lassen wir uns an der Kulisse der vorangegangenen Bilder nieder. Den Rücken ans Tarnnetz gelehnt, auf trockenen Sandsäcken im Miniaturformat sitzend, scheint uns die Sonne auf die Haut. Der Rucksack raschelt, als Katrin bereits ein Foto bearbeitet. Ein Klicken, ein Aufleuchten – aah, zurück im Spiel. Ein echtes Interview, ein Konzert im Stadtpark und scheinbar nur dafür ist der Sommer nochmal zurückgekehrt.
Live-Musik ist zurück
Das folgende Konzert lässt tatsächlich keinerlei Wünsche übrig. Es gibt keinen Support und die Kulisse des Stadtparks sorgt mit vielen anderen Komponenten für einen unschlagbar guten Abend. Wein, Rauch und Licht bilden eine perfekte Symbiose, während die Giant Rooks Hit um Hit spielen. Hit um Hit? War ich nicht eigentlich von den Veröffentlichungen seit der New Estate-EP enttäuscht? Richtig, das habe ich bestimmt jedem erzählt. Aber schon die Eröffnug mit The Birth Of Worlds entfacht ein Feuer, das an diesem Abend immer weiter gefüttert wird. Der Radio-Hit Heat Up zieht und reißt mich nur tiefer in den Begeisterungsstum. 100 mg, wie ich an diesem Abend dank Luca gelernt habe. Der Song, der mich bereits 2018 im Gruenspan begeistert hat und nun habe ich ihn endlich wiedergefunden! Are you waiting, are you waiting?
Die Dunkelzeit hält Einzug und mit ihr tauchen die ersten Sterne am Himmel auf. Und so wird Very Soon You’ll See unter dem Hamburger Sternenhimmel gespielt. Why the hell we’re here together? Ich weiß es nicht und auch du weißt es nicht. Wir wissen es nicht und tanzen. Einfach nur tanzen, singen, klatschen, einzig der Musik lauschen. Der Große Wagen schwebt über unseren Köpfen, als die Rooks All Good Things (Come To An End) in den Stadtpark loslassen. Das Sternenbild über uns – why do all good things come to an end? Die Erinnerung an eine vollgeschriebene, aufgeklappte Tafel manifestiert sich in meinem Kopf: Flames to dust, lovers to friends, why do all good things come to an end? Die Stimmung des Songs trifft intensiv. Die Handylichter tun ihr übriges. Das Publikum schwebt in der Musik. Perlen von der New Estate-EP lassen Kirschen auf diesen Eisbecher eines Konzerts fallen. Take my hand. Ein Abend zum Verlieben.
Danke an die Giant Rooks für diesen wundervollen Abend. Danke dem Messed! Up Magazine für die Möglichkeit zum Interview, insbesondere Jimi und Katrin, die für die schönen Bilder des Abends verantwortlich ist. Die Ausnahmen bilden die Polaroid-Bilder. Ich kann ja nicht nur labern.
Interview, Polaroid-Fotografie und Erinnerungen: René Biernath
Danke an Katrin (Baroquine Photography) für die schönen Bilder!
Instant Film: Color, Round Frame Edition; Black & Yellow, Duochrome Edition, both For Use With 600