Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Hallo b-seite!

Nicht erst seit diesem Jahr ist die Landschaft der Musikprintmagazine eine Ödnis. Das 100. Jubiläum irgendeiner Beatles-Veröffentlichung wird im Rolling Stone in aller Regelmäßigkeit besprochen. Für wirklich neue Musik, Ideen, oder frische Formate sind die Alteingesessenen schwer zu begeistern.

Sich dem gesamten Printjournalismus aus einer Art Trotz zu verweigern? Das kann aber auch nicht die Lösung sein. Deshalb stelle ich euch heute die b-seite in der Redekiste vor. Denn Lea und Sara von eben diesem Druckerzeugnis wagen mit ihrer nun bereits zweiten Ausgabe wieder den Blick ums Eck, über den Tellerrand. Sie tanzen im Dunkeln und bringen frischen Wind in die Szene!

Da momentan wohl jeder einen Hoffnungsschimmer gebrauchen kann, habe ich etwas Goldstaub auf den Polaroid-Aufnahmen hinterlassen, denn 2021 soll allen Widrigkeiten zum Trotz ein funkelndes Jahr werden!
Genug des Palavers & den Sticker von der Webcam gerissen:
Hallo b-seite!

Um euch etwas kennenzulernen …

Was hat euch zwei ausgerechnet nach Hamburg gezogen?
Sara: Ich bin nach dem Studium an der Henri-Nannen-Journalistenschule angenommen worden und dann hat sich Lea hier auch einen Job gesucht. Oder gibt es da noch was hinzuzufügen?
Lea: Ne, das war eigentlich alles. Also die Überlegung mitzukommen war da. Ich hatte die Möglichkeit einer Übernahme in Bad Homburg, wo ich mein duales Studium gemacht hatte, aber das hat dann doch nicht hingehauen. Also habe ich mir hier einen Job gesucht und bin mitgekommen.

Sara, du hattest im Interview mit der RNZ Online erzählt, dass Die Ärzte dich 2012 beim Konzert sehr enttäuscht haben.
Konntest du mithilfe der neuen Platte Frieden mit der besten Band der Welt schließen?
Sara: Ja, konnte ich. Und zwar bis zum siebten Song. Der erste Song, das Intro, das war halt so okay, aber das skippe ich auch immer. Und dann kam Plan B! Das habe ich eine Minute gehört – da wusste ich: Die Ärzte sind zurück! Die Ärzte von Jazz ist anders sind zurück, die ich so richtig mag! Das fand ich klasse! Ich finde es gut bis zu Ich, am Strand, True Romance ist okay und dann kippt es. Bis Leben vor dem Tod. Das ist ein richtig guter Song! Aber um nochmal auf deine Frage zurückzukommen – ja!

Lea, das Kosmonautfestival wird seine Pforten nicht mehr öffnen.
Was erwartest du von deinem nächsten Lieblingsfestival?
Lea: Ich erwarte eine schöne Atmosphäre – das ist mir wichtig! Wir sind keine Großfestivalfans. Wir haben das Kosmonaut beide sehr ins Herz geschlossen, weil es so super familiär war. Ein echtes Wohlfühlding! Wir waren auch auf dem Taubertal, das hatte auch eine schöne Atmosphäre, sowas muss ich mir jetzt wieder suchen.
Sara: Du hast jetzt aber nicht die Frage beantwortet!
(Na ja, irgendwie schon, aber weiter geht’s!)

Lea: Ich will das Kosmonautfestival. Das ist schwierig zu reproduzieren. Es gibt viele Sachen, die ich da sehr schön fand. Die hätte ich gerne. Ich fand es schön, dass die einen See hatten. Und das schränkt schon mal viele Sachen ein. Es war schön, im See zu schwimmen und auf die Hauptbühne gucken zu können. Schwierig! Aber wenn ich das außen vor lassen müsste, Grilled Cheese Wonderland müsste dabei sein und ein guter Crepes-Stand!
Sara: Lea will also eigentlich auf ein Food Truck-Festival!
Lea: Und gute Bands. Das ist jetzt auch so dahergelabert, dass man sich coole Bands wünscht, aber ich möchte kein zu internationales Festival. Ich möchte lieber meine deutschen Indie-Bands sehen.

Zum Magazin

Wie überrascht wart ihr über den Erfolg eures Crowdfundings?
(Anm.: Die erste Ausgabe wurde eben dadurch ermöglicht.)
Beide:
Sehr! Extrem!

Lea: Wir haben das schon möglichst treffend kalkuliert. Also, wir hatten keine Ahnung, was genau wir kalkulieren. Wir konnten ja zwei Fundingziele festlegen. Bei dem ersten haben wir gesagt, wenn wir das Geld drin haben, dann müssen wir beiden privat nichts rauflegen. Da wussten wir ungefähr, was der Druck uns kosten wird und haben dies und jenes noch draufgerechnet. Das waren 6000 Euro. Bei dem nächsten Ziel, 8000 Euro, da haben wir gesagt, da können wir ein bisschen was beiseitelegen und wir können vielleicht sogar etwas Marketing machen. Oder uns die Creative Cloud finanzieren, oder für die Webseite einen Euro ausgeben. Und dass es dann 10000 Euro geworden sind, damit hätten wir überhaupt nicht gerechnet! Das ist halt schon viel Geld, welches uns gegeben wurde, ohne dass wir irgendetwas vorzuweisen hatten. Wir hatten nur diese Idee.

Sara: Ich glaube, man denkt halt immer: „Das interessiert vielleicht meine Familie oder meine Freunde“ und wenn man Glück hat, kommt etwas Geld zusammen. Dieser Erfolg ist für mich beim Crowdfunding nicht mal mehr das monetäre gewesen. Sondern eher, dass unsere Idee so gut getaugt hat, dass Leute, die uns nicht gekannt haben, gesagt haben, dass sie das unterstützen. Und dass diese Leute treu geworden sind. Viel, viel krasser, als dass wir das Ziel erreicht haben, war, dass uns wildfremde Leute geschrieben haben. Wir wurden gefragt, wie wir unterstützt werden können. Ob es Flyer gibt, die man ausdrucken kann. Leute haben das in ihrer Story geteilt … Das war viel krasser – dieser Vertrauensvorschuss! Weil wir keine Texte online hatten, die Themen am Anfang nicht online waren.

Wir haben einfach gesagt:

„Hallo, wir sind zwei Dullis und haben eine Idee!“

Was haben denn andere zu eurer Idee gesagt?
Sara: Es gab viele, die fanden das total cool. Es gab aber auch den einen oder anderen, der meinte: „Das ist ja eine süße Idee, was ihr macht, aber um erfolgreich zu werden, müsst ihr einen Podcast machen, eine Bezahlschranke machen …“ Quasi: Schön, dass ihr das ausdrucken wollt, aber probiert es doch im Internet. Da gab es ein paar Gespräche, bei denen ich mich geärgert habe, weil ich dachte: „Ihr versteht überhaupt nicht, was wir wollen!“ Das habe ich heute immer noch, dass ich Gespräche führe und Leute mir sagen: „Ich finde das voll schön, dass ihr das ausgedruckt. Aber wie wäre es mit einer App und das dann in groß, mit einem Premiumbereich. Da könnt ihr Videos hochladen, wie sich die Stars im Backstage benehmen. Da verdient ihr ganz viel Geld mit!“ Und da denke ich noch immer: „Ihr versteht halt die Idee dahinter nicht.“

Aber ist das nicht verlockend, da mal drüber nachzudenken?
Beide unisono:
Nee!

Lea: Also wir denken so eine Minute drüber nach, aber dann sagen wir jedes Mal: „Das ist doof!“

Die b-seite in Person(en)

Die b-seite in Person(en).

Auf die nun auch ausverkaufte #1 folgt bald die #2.
Wieso dieses Mal ohne Crowdfunding?
Wäre das nicht finanziell sicherer gewesen?
Lea:
Die Sache mit der Sicherheit ist die, dass wir eigentlich relativ sicher sind. Also wir haben noch genug übergehabt, um den Druck zu finanzieren.

Sara: Wir haben uns nur Angebote eingeholt, mit denen der Druck auch abgedeckt wäre, wenn niemand diese b-seite kauft. Nicht meine Mama, nicht Leas Mama, niemand. Es wäre schad‘, aber es wäre abgedeckt. Doch durch die Vorbestellungen, die wir bereits haben, sind wir jetzt an dem Punkt, dass alles was nun an Bestellungen reinkommt, Gewinn ist.
Lea: Taugt für die #3!

Sara: Und weil du gefragt hattest: Warum kein Crowdfunding? Weil wir die Zukunft dieses Magazins nicht darin sehen, Ausgabe 17 zu crowdfunden. Meines Ermessens nach ist Crowdfunding der Kickoff, das funktioniert für eine Gründung von etwas. Aber prinzipiell soll das für uns schon in ganz begrenztem Maße ein Unternehmen sein. Nicht im Sinne von Unternehmen.
Lea: Es muss sich von alleine finanzieren.
Sara: Es kann sich nicht für immer über Spenden finanzieren. Und das wäre natürlich einfach für uns, nett. Aber wir haben uns immer gesagt, dass es sich auf null rechnen muss. Es muss kostendeckend sein, sonst macht es keinen Sinn.

Lea: Beim Crowdfunding sind immer wieder Leute dabei, die sich nicht für das Thema interessieren, die das aber ganz witzig finden und 20 Euro dazugeben. Aber die wollen keine b-seite. Letzten Endes bringt es uns ja nichts, wenn wir auf dem Konto 3000 Euro haben und 500 Ausgaben drucken, aber sie keiner kauft. Dann machen wir das ja trotzdem wieder für niemanden. Das ist vielleicht ein, zweimal witzig, weil wir Geld reinkriegen, aber dann haben wir am Schluss ein Magazin, in das wir super viel reinstecken, aber dann merken, das will keiner lesen.
Sara: Perspektivisch wollen wir auch die Auflage steigern. Machen wir jetzt auch ein bisschen und ich glaube, da wären wir mit dem Crowdfunding nicht hingekommen. Da würden wir auch anders bei den Leuten im Kopf bleiben. Nämlich nur als die kleinen lieben Mädels, die etwas auf die Beine stellen wollen.

Ihr habt das Molotow besucht.
Da ihr Corona als Thema überhaupt nicht aufkommen lassen wolltet … worüber habt ihr denn dann gesprochen?
Lea:
Eigentlich haben wir ein bisschen die Geschichte vom Molotow erzählt. Ganz unabhängig von allem. Wir waren ja auch schon selbst Gäste im Molotow.

Sara: Es ist eigentlich das Porträt einer Location, die uns sehr am Herzen liegt. Wir haben versucht zu erklären, warum das Molotow anders ist als eine große Halle. Oder als eine andere moderne, kleinere Location, in der zum Beispiel auch Lesungen stattfinden. Wir haben versucht, das auch für Leute aufzuschreiben, die das Molotow nicht kennen. Heißt, wenn meine Freunde in Süddeutschland das nächste Mal hören, dass ich im Molotow war, dann verstehen sie, dass das etwas anderes ist, als wenn sie in irgendeine große Mehrzweckhalle gehen. Wie Lea schon gesagt hat: Es geht im Text um die Geschichte des Molotows und was es ausmacht.

Stichwort Corona …

Was wäre im letzten Jahr anders für euch, die b-seite, gelaufen?
Lea:
Wir hätten sie früher gemacht. Wir hatten uns nach der #1 gesagt, dass es im Frühjahr, zum Sommer hin cool wäre mit der #2. Da sind dann auch wieder Konzerte, oder ein Festival, das Musikleben wäre im Gange. Zu dem Zeitpunkt, als wir anfangen wollten, ging Corona los. Dann haben wir gesagt, dass wir ein bisschen warten. Vielleicht wäre es im Sommer oder Herbst wieder besser. Und dann würden wir das machen, wenn Corona vorbei ist. Aber dann war Corona einfach nicht vorbei. Das hat uns so genervt, da haben wir gesagt: Dann machen wir es halt jetzt!

Sara: Wir hatten uns im Februar hingesetzt und das komplette Inhaltsverzeichnis von der #2 geschrieben. Wir hätten einfach nur Leute kontaktieren müssen. Das ging dann erst im November weiter. Was auch noch anders gewesen wäre – wir wären natürlich mehr rausgekommen. Also wir hätten die Band für die Titelgeschichte getroffen, wir hätten für unsere Reportagen vor die Tür gehen können. Es wäre einfach mehr draußen gewesen. Wir hätten Blond in Chemnitz besucht, wir wären nach Sachsen gefahren.

Im Umkehrschluss, was habt ihr aus der speziellen Zeit mitnehmen können?
Lea:
Ich glaube, es hat uns gefördert und gefordert, nochmal ein bisschen kreativer da ranzugehen. Wir haben eigentlich eine Kategorie, die heißt „Unterwegs mit“. Wir sind halt unterwegs mit jemandem. Das war nun schwierig. Da mussten wir uns überlegen, was wir daraus machen können, um das nicht ganz auszulassen oder doof zu machen. Wie können wir unsere Kategorien, die davon leben, dass wir eigentlich mit jemandem irgendwo sind, so drehen, dass sie ihren Charakter nicht verlieren?

Sara: Ich glaube, dass Corona die b-seite vielfältiger gemacht hat. Weil Corona es uns nicht möglich gemacht hat, einfach die b-seite 1.2 zu machen. Ich sage nicht, dass es passiert wäre, aber ich glaube die Verlockung wäre natürlich da gewesen, die Dinge, die in der #1 gut geklappt haben, in der #2 auf ähnliche Art zu wiederholen. Das hat uns das Corona-Jahr auf jeden Fall gebracht, dass wir das nicht konnten. Und wie Lea es gerade gesagt hat, dass wir einfach neue Ideen und Möglichkeiten finden mussten.
Lea: Außerdem: Ich bin in Kurzarbeit, wir sitzen beide zu Hause. Wir haben viel mehr Zeit für die b-seite. Ich arbeite gerade vier Stunden am Tag und danach arbeite ich am Heft. Rausgehen kannst du sowieso nicht, du verpasst nichts. Du sitzt nicht zu Hause und denkst, dass du Freitagabend lieber tanzen gehen willst, anstatt nachts um drei Uhr ein Interview zu protokollieren. Es wird alles ein bisschen entzerrt.

Gab es schon mal generell den Punkt, an dem ihr das Projekt aufgeben wolltet?
Sara:
Nein, nie ernsthaft.

Lea: Es gab immer große Zweifel, in Wellen.
Sara: Spätabends gab es immer Frust, wenn wir gemerkt haben, dass ein wirklich großer Aufgabenberg vor uns liegt.
Lea: Da kommt einem schon der Gedanke, dass wir es auch lassen können. Es gibt ja außer uns niemanden, keine Chefin, die sagt, das muss aber abgeliefert werden. Wir beiden tun uns das ja selber an. Der einfache Weg wäre, es zu lassen. Wir müssen da ja nicht sitzen, wenn wir eigentlich lieber schlafen wollen.

Ihr habt nun bereits mit ganz verschiedenen Künstlern und Künstlerinnen zusammengearbeitet, RIKAS und Blond haben es auf das Cover geschafft!
Wen hättet ihr gerne für die #3?
Sara:
Das sagen wir nicht.

Lea: Weil wir da schon zu konkrete Ideen haben. Die Chancen stehen gut.
Sara: Es gab schon ein paar E-Mails und deshalb können wir es leider nicht sagen.

Fies, aber gut!
Dann möchte ich trotzdem meinen Vorschlag einbringen.
Wie wäre es denn mit Udo Lindenberg?

HotelAtlanticKempinski

Auf ein Getränk an der Bar im Hotel Atlantic?

Lea: Das wäre ganz toll!
Sara: Der Tag, an dem Udo Lindenberg anruft und sagt, dass er was mit uns macht, da kriegt Udo jedes Cover, das er will! Ich lasse Udo die ganze b-seite mit Likörellen vollmalen!
Lea: Das wäre eine Special Edition! Vielleicht müssen wir ihm mal ein paar zuschicken.
Sara: Das ist eine sehr gute Idee! Das machen wir!
Lea: Gut!

“Gut”, schließt Sara sich ihr an! Klingt nach einem Deal! Das war es also, das erste Interview in 2021. Hoffentlich ist etwas Neugierde geweckt worden!
Wer das Heft kaufen möchte, dem wird hier geholfen!
Ihr werdet es nicht bereuen!

Text, Interview & Polaroid-Bilder: René Biernath
Instant Film: Gold Dust Edition, Colour, For Use With 600

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