Berlin 2020. Das Treffen mit der Band SIND neigt sich dem Ende zu. Wir haben Glück, die Sonne scheint noch einmal ordentlich. Ein goldener Herbsttag, ideal um draußen in der Sonne zu sitzen. Das Drücken des roten Knopfes beendet die Aufnahme. Und nun erklingt noch einmal lautes Gelächter aus unseren Kehlen, als wir uns zum Abschied umarmen. Doch stopp – hier stimmt was nicht. Und zwar leider alles. In einem anderen Universum, ohne Pandemie, könnte das ganze so abgelaufen sein.
Das Internet 2020. SIND veröffentlichen morgen ihr zweites Album Vielleicht Ist Es Anders Als Du Denkst! Nach der Veröffentlichung von Welt Verändern war mir klar, wir sollten uns unterhalten. Im Rahmen der Möglichkeiten. Fotos, ein tiefer gehendes Interview, all das kann noch nachgeholt werden. Somit sind es E-Mails, die hin und hergeschickt werden, CD’s, die den Weg in meinen Briefkasten finden. So viel zur Geschichte, lasst den Sektkorken knallen und schaltet euer Handy auf stumm, hier sind SIND!
Credit: EyeCandy
Wer waren, aber vor allem, wer sind denn SIND?
Wir waren und wir sind SIND. Mal fünf Leute auf der Bühne, mal ein ganzes Rudel auf nem Festival. Aktuell zu viert: Hannes am Gesang, Ludwig an den Drums, Mathias an der Gitarre und Norm am Bass. Aber so genau wollen wir das nicht abgrenzen. Mal hinter den Instrumenten, mal hinterm Tresen im Gemischtwarenladen am Holzmarkt. Mal Strippenzieher im Studio 25. Fahrrad kaputt? Komm zu uns! Welche Besetzung auch immer – was bleibt sind unsere offenen Arme!
Hannes, wie hat sich das für dich angefühlt, ans Mikro zu treten und somit zusätzlich in den Fokus zu rücken?
Ich habe schon immer gerne gesungen und die Eros Einlagen bei unseren Konzerten und Auftritten auf Festivals 2018 haben mir extrem viel Spaß gemacht. Insofern war das ein Prozess der sich beim Schreiben der neuen Songs gefestigt hat und mit dem ich mich sehr wohl fühle. Allerdings ist der Fokus mehr auf der Band als Gesamtes – auf das Gemeinschaftliche. Sowohl beim Schreiben als auch auf der Bühne. Insofern fühlt sich das wirklich gut an und wir freuen uns alle das irgendwann auch mal live zu zeigen.
Bleiben wir eben bei den Gefühlen.
Wie war das denn für euch, als Eros Ramazzotti das von dir gesungene Cover mit einem Like versehen hat?
Wir hatten im November 2018 in Wien mit Flut unseren Jahresabschluss. Zebo und Fire waren auch da, mit denen wir in Wien unser Debütalbum produziert haben. Familie und Freunde haben sich da auch zusammengefunden. Der Abend stand also bereits unter einem guten Stern. Piu bella Cosa haben wir das gesamte Jahr hoch und runter gespielt, wir haben sozusagen auch einen Abschluss gesucht. Dann hatte jemand eine Story von der Einlage gemacht und Eros hatte persönlich seinen Daumen druntergesetzt. Voilà. Wo solls danach denn noch hingehen? Für uns war das der krönende Abschluss unserer Eros-phase und der Abend ist dann natürlich entsprechend explodiert …
Euren Song Welt Verändern habe ich mit Kraftklub in Verbindung gebracht.
Geht ihr mit dem Vergleich d’accord?
Bevor wir nun zum Album kommen: Star Wars oder Star Trek?
Star Wars – seit Disney aber nicht mehr lange …
Vielleicht Ist Es Anders Als Du Denkst hat einen sehr melancholischen Touch. Lotte, Trockeneis und Barcelona brechen da etwas aus, wirken kämpferischer. Bei Lotte könnte man sogar bissiger sagen.
Was ist euer roten Faden für das Album gewesen?
Unser roter Faden war und ist immer das Gemeinsame. Beim ersten Album wollten wir noch unbedingt nach Wien und uns von der Berlin Bubble abkapseln. Bei unserem aktuellen Album wurde schnell klar: Wir wollen in Berlin bleiben und alles um uns herum aufsaugen, weil es dazu gehört. Ein Album ist auch immer eine musikalische und thematische Momentaufnahme. Vor allem nach dem vergangenen Jahr, mit der Ungewissheit wie es weitergeht, nach dem Ausstieg von Arne und Max.
Insofern ist unser zweites Album auch ein Neuanfang. Und ein Blick zurück, Abschluss, aber auch die angesprochene Momentaufnahme der aktuellen Situationen, in denen wir uns alle befinden. Trockeneis bringt zusammen was nicht zusammen gehört – warum nicht einfach loslassen? Barcelona fragt nach dem was bleibt, wenn man nach Jahren mal wieder in den eigenen Spiegel schaut. Bei Lotte, Hannes’ Schwester, geht es aber mehr um gemeinsame Kindheit. Das ist unser Empowermentsong. 🙂
Es geht uns darum, wie wir zusammen leben und wie wir miteinander umgehen. Was bleibt nach dem Rausch? Wir können sagen: kein Kater. Aber schon ein genaues Beäugen auf das, was kommt.
Bataillon d’Amour. Es gibt einen Song mit dem selben Namen der Band Silly. Reiner Zufall?
Also wenn wir mal an die Regler bei einer Party dürfen, dann spielen wir auch schonmal ein paar Songs von sogenannten Ost-Bands. Pankow, Gundermann, Silly, City mit Am Fenster, aber nur in melancholischen Rotweinphasen. Die Musik berührt uns und in der Musikwelt unserer Eltern haben die auch einen großen Platz, die begleiten uns schon sehr lange.
Der Text zu Bataillon d’Amour ist ja in unserem damaligen Wohnzimmer, der Kim Bar entstanden. Hannes hatte ein Gedicht angefangen und dort vollendet. Mit Zeilen durchboxen durch schwitzig-rauchige Räume und graue Wände. Aber auch ankämpfen gegen Hass und Vorurteile. Dazu braucht es ein Bataillon d’Amour.
Nun, ein Grund zum Feiern!
Album Nummer 2, die Band ist nicht liegen geblieben. Doch wie feiert ihr den Release nun, da durch Corona nichts mehr wie gewohnt ist?
Grund zum Feiern findet sich immer, aber wir werden es uns nicht nehmen lassen im kleinen Kreise anzustoßen.
Es war ja sehr früh klar, dass dieses Jahr nichts groß gehen würde. Wenn wir an 2018 im Säälchen in Berlin denken, was aus allen Nähten platzte, tränt da schon ein Auge. Aber wir freuen uns auf alles, was noch kommen mag und werden sobald möglich wieder ordentliche Parties schmeißen!
Am Freitag kommt neben dem Album auch das neue Video zur Single Warum fragst Du raus, worauf wir uns auch sehr besonders freuen. Wir haben also genug Gründe, anzustoßen. Außerdem haben wir einen Gemischtwarenladen am Holzmarkt eröffnet, dort halten wir Kontakt und bleiben im Gespräch, auch gern mal bei einem Sekt. 😉
Zum Abschluss:
Wir träumen einfach mal etwas und glauben, dass die Pandemie im Sommer vorbei ist. Wie sähe euer perfektes Releasekonzert aus?
Dreitagesfestival mit uns und Bands und Musikern, die uns über die Jahre ans Herz gewachsen sind. Dazu dann Freibier für alle. Deal?
Credit: EyeCandy
Deal!
Nun kennt ihr also SIND. Eine Band aus Berlin, die mit einer erfrischenden Platte ihren quasi Neuanfang begehen. Sich dabei aber dabei treu bleiben, doch was sagt das eigentlich aus? Die Vier verpacken altbekannte Themen überzeugend in ein homogenes Soundgewand: Seien es die Geister der Vergangenheit, geplatzte Träume, Sehnsüchte, die Revolution ohne Grund, ein Guss – ein Bild! Dabei spielen sie lässig mit Worten und schaffen es sogar Romeo & Julia einfließen zu lassen. Und das ohne dabei peinlich zu werden.