Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Molotow

 

Als ich dich vor drei Jahren das erste Mal sah, war es keineswegs Liebe auf den ersten Blick. Es war Frühling, meine Gefühle zurückhaltend. Beim Taxieren der plakatverhangenen Fassade fragte ich mich nicht, was sich dahinter verbirgt. Vielleicht war ich naiv zu glauben, dass du nur einer von vielen bist. Doch jetzt weiß ich es besser.

Mittlerweile reihte sich ein Abend, an dem wir uns sahen, an den nächsten. Ich erkundete dein Inneres. Und jede entdeckte Ecke zog mich tiefer in deinen Bann. Wir teilten Drinks miteinander. In der untergehenden Abendsonne sorgloser Spätsommertage. Im Winter zogst du mich in eine wärmende Umarmung. Ich fühlte mich nie allein, wenn wir zusammen waren.

Man könnte meinen, uns verbindet nur eine geteilte Liebe für die gleiche gute Musik. All die Bands, die du mir gezeigt hast. All die Songs, zu denen wir ausgelassen tanzten, wenn verschüttetes Bier mit jedem Schritt unter den Sohlen schmatzte. Lyrics, die wir atemlos mitsangen. Und Ohrwürmer, die noch Stunden nach dem Abschied in meinen Ohren dröhnten.

Doch da ist noch so viel mehr als das. Du gabst mir immer wieder Gründe, gute Freunde wiederzusehen, die ich im Alltag nie traf. Du warst dabei, als ich mein erstes Plektrum fing und mit zitternden Händen meine erste Setlist unterschreiben ließ. Du hast mich durch angestaute Konzert-Euphorie begleitet und geduldig gewartet, bis ich nach einem Auftritt nicht mehr zu aufgeregt war, um mit der Lieblingsband ein Gespräch anzufangen.

Ich …

… zählte die Schallplatten an der Decke. Sah zu, wie der Schweiß an der Fensterfront der Skybar hinabrann. Und aß beim Reeperbahnfestival Kuchen im überfüllten Backyard. Drei Stufen unter dem Garderobenfenster klebt ein Sticker von mir. Und im Backstage beobachtete ich Band und Crew, die mit Mexikanern anstießen. Bevor ich am Ausgang sorgfältig den Klebestreifen vom Tourplakat pulte, um eine Erinnerung an den Abend mit nach Hause zu nehmen.

All diese kleinen Momente lösen einen fröhlichen Trommelwirbel in meiner Magengegend aus, den ich nicht mehr missen möchte. Selbst als ich dir den Rücken kehrte, Hamburg verließ und stattdessen in Berlin meinen Weg fortsetzte, plagte mich nie ein schlechtes Gewissen – denn du weißt genau, dass ich immer zu dir zurückkommen werde. Manchmal vermisse ich dich gern, um mich umso mehr auf ein Wiedersehen zu freuen. Für jedes herzliche Willkommen wurde dein Platz in meinem Herz größer.

Ich möchte nicht, dass das vorbei geht. Ich möchte weiterhin die Nacht mit dir zum Tag machen. Zusammen in der Musik verloren gehen. Und glücklich auf gemeinsame Erinnerungen zurückblicken. Mit dem Wissen, dass wir in Zukunft mindestens genauso schöne Stunden miteinander teilen werden.

Ich weiß, du gehst gerade durch eine harte Zeit. Eigentlich war es nie einfach für dich. Doch mit dem ganzen Social Distancing momentan hat es dich ziemlich getroffen. Denn erst unter Leuten blühst du so richtig auf. Wir müssen jetzt zusammenhalten! Dann schaffen wir es auch durch die schwierigen Phasen. Ich brauche keine Wehmut, kein „damals…“ oder was-wäre-wenns. Ich brauche nur dich.

Molotow, ich liebe dich.

Helft mit und unterstützt das Molotow (und eure local club scene), damit KünstlerInnen auch in Zukunft noch eine Bühne und wir weiterhin einen Zufluchtsort vor dem Alltag haben! Die bittere Realität können wir dort nicht gebrauchen. Also spendet. Kauft euch Merch! Kauft ein Ticket zur Soli Molotow Geistershow. Oder zu anderen Geistershows eurer Lieblingsclubs. Es gibt genug Initiativen, um zu helfen, wenn ihr danach sucht.

Gemeinsam für die Klubkultur!

Diesen Liebesbrief schrieb Annekatrin von abgefreakt.de, mit der ich im letzten Jahr das Interview mit The Ninth Wave im Molotow führte. Erinnerungen, die wir nicht missen wollen, ebenso wenig wie den Geschmack des Mexikaners im Backstage.

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