Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

The Ninth Wave

In den Staub mit euch!
Für ihre Majestät:
The Ninth Wave!

Quelle: YouTube, TheNinthWaveVEVO

Was das besondere an dieser Band ist? Davon ab, dass mich der Sänger an Robert Smith erinnert? Es ist die Kombination aus ihm, Haydn, und Millie, dem anderen Gesicht der Band. Ein selten so gesehenes Zusammenspiel zweier Personen auf der Bühne, das wirklich in einer erinnerungswürdigen Show mündet. Düstere Blicke, eine live nicht geschmälerte Stimme, The Ninth Wave kreieren ihren eigenen Kosmos. Aus ebendiesen Gründen konnte ich sie auch nach ihrem Auftritt auf dem Reeperbahn Festival nicht vergessen. Wie schön es dann doch ist, dass man in Zeiten von Social Media informiert bleibt, wann sie wieder in der Hansestadt spielen werden. Und so kam es, dass Annekatrin von abgefreakt.de und ich sie im Molotow zum Gespräch treffen konnten. Danke hier an popup-records. Zu guter Letzt bleibt zu bedauern, dass das schottische Duo ihr Debütalbum in zwei Teilen veröffentlicht (Infancy Pt. 1 steht bereits im Plattenregal) und damit schließen wir nun die erste Frage an …

Wie kam es zu der Entscheidung euer Album in zwei Teilen zu veröffentlichen?
Habt ihr Angst euer gesamtes Potenzial zu verjubeln, wenn ihr alles in ein Album packt?

Haydn: Es ist eher so, die Leute sind mittlerweile weniger aufmerksam. Alles wird schnell zum Wegwerfartikel. Also haben wir das Album in zwei Hälften geteilt, damit die Songs einfach mehr gehört werden. Ich glaube, dann schenken die Leute dem ganzen mehr Aufmerksamkeit! Und außerdem haben wir ein Jahr für das Album gebraucht. Es dann einfach so rauszuschleudern …
Millie: Natürlich könntest du es so interpretieren, dass wir Angst haben unser gesamtes Pulver zu verschießen. Keiner will halt zur Eintagsfliege werden. Also ja, es ist taktisch klug, es über das Jahr verteilt zu veröffentlichen. Die Leute werden es dann mehr hören, anstatt es einmal zu hören, um es dann gleich zu vergessen. Um ehrlich zu euch zu sein, ja, da ist was dran.

Uns ist auch aufgefallen, dass ihr Infancy Pt. 1 nun eine Woche später veröffentlicht habt.
Was hat das für einen Grund?

Millie: Wir wissen es nicht. Das hat nichts mit uns zu tun. Ich denke, es wurde noch nachgepresst. Uns wurde das nicht gesagt. Nur, dass es nicht an diesem Tag erscheint.

Ich war am Sonntag auf einem Flohmarkt und habe dort eine Schallplatte von Kate Bush gekauft. Tatsächlich ist das, was nun kommt, ein Zufall. Denn Annekatrin und ich hatten bereits vorher darüber gesprochen, die Herkunft eures Bandnamens. Ich drehte die Platte um und da fiel es mir auf: The Ninth Wave

„Wave after wave, each mightier than the last
‘Til last, a ninth one, gathering half the deep
And full of voices, slowly rose and plunged
Roaring, and all the waves was in a flame“

Tennyson „The Coming of Arthur“

Ist dieser Teil von The Coming of Arthur der Grund, dass ihr euch The Ninth Wave nennt?
Millie (wendet sich an Haydn): Du hast die Band benannt.
Haydn: Ich kam auf den Namen, als wir noch ganz jung waren. Und um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht.
Millie: Der Name wurde mittlerweile schon ganz verschieden interpretiert. Ich denke, als wir uns als Band entwickelt haben, haben auch wir über neue Bedeutungen für den Namen nachgedacht. Und dann sagen wir auch mal: „Oh, die Erklärung mag ich, lass uns die nehmen!“
Haydn: Dieses russische Bild!
Millie: Ja, das Bild. Die neunte Welle, die stärkste und gefährlichste …
Haydn: In der irischen Mythologie ist das auch zu finden. Da gibt es eine Geschichte zu.

Eure Musik, euer Aussehen, auch ein gutes Beispiel sind eure Videos:
Half Pure‚, ‚Love You ‚Till The End“ oder aktuell ‚This Broken Design‚.

Quelle: YouTube, TheNinthWaveVEVO

Das ist alles schon sehr eigenartig, dunkel, künstlerisch. Folgt ihr einer Art Konzept und habt ihr einen Namen dafür?

Millie: Post-Punk im Krieg. Die Bezeichnung mag ich.
Haydn: Wie wurden wir noch gleich genannt?
Millie: Tragik von ihrer schönsten Seite.
Haydn: Das war es!
Millie: Wir folgen keinem Konzept. Wir stellen nur zur Schau, was in unseren Köpfen vor sich geht.
Es passiert also einfach.
Millie: Ja, es liegt uns im Blut.

Millie, Anne hat mir erzählt, dass du von Haydn gefragt wurdest, ob du zur Band gehören möchtest. Ich habe das vorhin auch im Internet nachgelesen – da konntest du noch gar nicht Bass oder Gitarre spielen. Also warum hast du ja gesagt?
Hattest du nicht Angst es total zu vermasseln?
Millie: Ja (lacht). Aber als ich jünger war, habe ich Piano gespielt. Und ich war eine Perkussionistin. Also ich hatte schon meine Berührungspunkte mit Musik. Ich habe meine eigenen Songs geschrieben. Es war wie ein Segen und ich fordere mich wirklich gerne selbst heraus. Also dachte ich mir, dass ich es einfach mache und sehe, wo es hinführt. Ich weiß auch nicht, warum ich es gemacht habe. Ich war zu der Zeit an der Universität. Ich habe alles fallen gelassen, mein gesamtes Leben. Und hier sind wir nun, wir sitzen im Molotow.

Haydn, jetzt wissen wir, dass du eine brillante Wahl getroffen hast.
Aber wie konntest du das wissen? Warum hast du Millie gefragt?

Haydn: Tatsächlich kennen wir uns schon sehr lange. Als wir jünger waren, haben wir zusammen auf Familienfeiern gespielt, unsere Familien haben die gleiche Freunde. Und ich habe mir Millie’s Zeug immer angehört. Sie hat mal Coversongs auf dem Klavier hochgeladen und auch immer Stücke auf dem Piano gespielt. Deshalb wusste ich, dass sie eine gute Musikerin ist. Ich weiß auch nicht, ich denke, wenn du jemanden so lange kennst, dann vertraust du ihm einfach mehr als jedem anderen.

Als alles anfing, wart ihr eine Band mit vier Mitgliedern.
Wie kam es nun dazu, dass
ihr nur noch zu zweit seid?
Haydn: Es war schon immer ein ständiger Wechsel der anderen Mitglieder.
Millie: Als ich The Ninth Wave das erste Mal gesehen habe, waren es Haydn, sein kleiner Bruder und sein Cousin. Über die Jahre hat sich dann die aktuelle Formation herauskristallisiert. Haydn und ich haben sowieso die meisten Songs geschrieben. Und irgendwann war jeder immer mehr mit seinem Leben beschäftigt. Aber Haydn und ich wollten uns wirklich total auf die Band fokussieren! Und es kamen dann öfter Aussagen wie: „Ich kann nur diesen oder diesen Gig spielen.“ Und da sowieso immer wir die Musik geschrieben haben, haben wir beschlossen, dass nun nur noch wir The Ninth Wave sind.

TheNinthWaveOnStage

The Ninth Wave auf der Bühne vom Molotow.

Wenn ich mich recht entsinne, hattest du Safe Gigs for Women in eurer Instagram-Story erwähnt.
Magst du uns mehr darüber erzählen?

Millie: Tatsächlich haben The Blinders das organisiert. Wir haben die Organisation Girls Against in Schottland und in England ist es Safe Gigs for Women. Der Grund für The Blinders war, wenn du auf einem Konzert belästigt wirst, kannst du zu ihnen (Safe Gigs for Women) gehen und dort bist du dann in einem sicheren Bereich. Und du bist die ganze Zeit beschützt, was wirklich toll ist! In Schottland machen Girls Against darauf aufmerksam, das ist auch eine Gruppe, die dann freiwillig auf Konzerten unterwegs ist. Es wird wirklich darauf geachtet, dass es Frauen bei Konzerten gut geht. Ich war buchstäblich die einzige Frau für drei Wochen und es wird wirklich etwas intensiv. Manchmal sind da echt viele Männer im Publikum. Ich glaube es war bei dem Auftritt in Birmingham, da kamen ein paar Leute zu mir und haben nach Safe Gigs For Women gefragt, weil es wirklich eine einschüchternde Atmosphäre sein kann, vor allem, wenn dir schon mal etwas passiert ist. Also ich denke, das ist wirklich eine tolle Organisation, zu wissen, dass da jemand da ist und du dich dadurch wohl fühlen kannst. Dass sie dafür sorgen, dass du etwas genießen kannst, was für jeden zu genießen sein sollte. Und das es nicht nur eine von Männern dominierte Szene ist.

Es ist wirklich eigenartig, dass das noch immer ein Thema ist.
Oder nicht? All dieses dumme Verhalten …

Millie: Es ist lächerlich! Aber es ist gut, dass da jetzt mehr gemacht wird. Weil ich kann mich gut erinnern, als ich mit 14 auf Konzerte gegangen bin, dachte ich, dass das normal wäre. Sowas passiert halt bei Konzerten. Und heutzutage wissen wir, dass es eben nicht richtig ist und dass diese Leute damit konfrontiert werden müssen. Ich wusste es nicht, aber ich wünschte, ich hätte es. Ich hätte viel mehr gesagt. Also ist es wirklich schön, dass Bands, wie The Blinders, Safe Gigs for Women unterstützen. Weil diese Bands brauchen das. Unglücklicherweise kommen nämlich sehr viele Männer zu ihren Konzerten.

Beenden wir das Interview mit einer anderen Frage, die etwas mit der vorigen zu tun hat. Aber es dreht sich nicht um Idioten, die sich nicht benehmen können. Es geht um Konzerterfahrungen. Das erste und letzte Mal haben wir euch nämlich auf dem Reeperbahn Festival im letzten Jahr gesehen.

TheNinthWaveReeperbahnFestival

The Ninth Wave auf dem Reeperbahn Festival 2018.

Habt ihr besondere Erinnerungen an diese Auftritte, oder auch generell an Hamburg?
Haydn: Es war immer unglaublich hier zu spielen.
Millie: Ich habe es schon die ganze letzte Woche zu Haydn gesagt: „Meine Güte, ich kann es gar nicht mehr erwarten das Molotow zu spielen.“ Wir haben schon drei Mal hier gespielt. Und wir haben hier auf jeder einzelnen Bühne gestanden, nur noch nicht in der Skybar. Also fühlt es sich so an, als würden wir heute das Molotow vervollständigen. Ich erinnere mich noch an den letzten Auftritt auf der Reeperbahn, im Club, die Treppe runter. Bei der Band vor uns war es wirklich ruhig. Zwei Minuten bevor wir auf die Bühne sollten, dachte ich nur, dass es okay wäre, auch für 20 Leute zu spielen. Dann kamen wir rein und es waren Schlangen an beiden Eingängen. Unser Manager ist nicht mal mehr reingekommen um uns zu sehen, weil es so voll war. Und ich weiß noch, ich bin auf die Bühne gekommen und eigentlich sind wir wie Gift und sehr ernst auf der Bühne. Das ist unsere Attitüde. Aber ich bin in Gelächter ausgebrochen und habe sowas wie „Fuck me!“ ins Mikrofon gesagt. Und in meinem Ohr konnte ich unseren Tontechniker hören: „Millie, du kannst doch nicht fluchen!“ Aber ich habe es einfach vermasselt. Ich konnte nicht aufhören zu grinsen. Ich habe das Goth-Image ruiniert. Also ja, fröhliche Erinnerungen an das Molotow. Und danach sind wir irgendwo gelandet, ich weiß es gar nicht mehr. Wir sind dann über die Reeperbahn zu unserem Airbnb zurückgegangen. Und ich musste wirklich auf Klo. Und habe deswegen versucht in die Clubs reinzukommen. Für mich war es halt so, dass ich einfach nur ein Klo brauchte. Und Haydn meinte nur: „Millie, du kommst da nicht lebend raus! Das sind Strip-Clubs, in die du versuchst reinzukommen!“ Ich trug diesen Schnürrock und dieses fransige Oberteil. Ich meinte nur: „Witzig, es wird in Ordnung sein.“ Aber Haydn blieb dabei: „Ich werde dich nie wiedersehen (wir müssen alle lachen)!“
Das ist meine letzte Erinnerung, die ich an Hamburg habe.

Also nun meine letzte Frage – ein Klassiker – Star Wars oder Star Trek?
Millie: Ich sage Star Trek, denn ich war auf dem 50. Geburtstag des leitenden Produzenten der Serie. Und er hatte einen großen Hirsch aus Weidenholz verbrannt. Wie ein Wicker Man. Das war die bisher sonderbarste Erfahrung meines Lebens! Seine Kinder haben ihm als Geschenk den Star Trek-Titelsong vorgetragen. Ich habe mich wirklich gefragt: „Warum bin ich hier? Ich sollte nicht hier sein (Millie muss auflachen).“ Aber er hatte zu der Zeit mit meinem Vater zusammengearbeitet und sie hatten dieses große Schloss in Schottland gemietet. Und jeder war total im Thema, also Star Trek. Ich habe es nie gesehen. Ich habe nicht einmal Star Wars gesehen. Es tut mir so leid. Ich schaue mir eher Dokumentationen an.
Haydn: Für mich ist es nichts von beidem.
Millie: Wir sind wirklich die falschen für diese Frage. Jede Antwort wird enttäuschend sein (lacht erneut).
Was wäre denn deine Wahl (an René gerichtet)?
René:
Star Wars natürlich. Aber sie haben es mit dem letzten Film ruiniert … Und du – Star Wars oder Star Trek (an Annekatrin gerichtet)?
Anne: Ich habe sie nicht gesehen (alle lachen los).
Haydn (zu René): Du bist mit den falschen Leuten zusammen.

Und wieder mussten wir lachen, aber ich konnte mich wirklich nicht in besserer Gesellschaft wiederfinden. Ein toller Abend!
Bist du nun also auch im Sog der Ninth Wave gefangen? 

The Ninth Wave im Backstage des Molotow.

Danke!

Text & Polaroid-Fotos: René Biernath
Interview: Annekatrin Schulz (abgefreakt.de), René Biernath
Instant Film: Color, For Use With 600, Classic White Frame (1, 2 shot with red lense and number 4), Color, For Use With 600, Ice Cream Pastels Edition (3)

 

 

 

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