Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Zur Geisterstunde im Golem. Mit Peter Doherty

Zzt. Zzt. Eine SMS.

„Bist du noch wach?“
„Ja, ich kann nicht schlafen.“
„Rate mal, wer heute in Hamburg spielt!“
„Heute noch?! Wer denn?“
„Rate. Magst du total!“

23. Februar 2014, ca. 22:00 Uhr

Ich begann zu überlegen, brach den Versuch aber sofort wieder ab. Es war Sonntag Abend und ich bereits früh im Bett. Ein Wochenende mit wenig Schlaf lag mal wieder hinter mir. Aber wie es dann so ist, wenn man sich rechtzeitig in die Koje begibt. Der herbeigesehnte Schlaf ließ auf sich warten, während die Minuten wie Sekunden vergingen. Für Ratespiele hatte ich nun also wirklich gar keine Geduld. Also wagte ich einen Schuss ins Blaue.

„Keine Ahnung. Madsen?“
„Nein.“
„Sag doch einfach.“
„Pete Doherty.“

Schlagartig war ich hellwach. Würde man nun schreiben, aber da ich die ganze Zeit mehr als wach war, dient dieser Satz nur als passender Übergang. Die Informationen, die dann folgten, waren eben diese: Das Molotow hat eine Konzertankündigung geteilt. Und diese besagt, dass Pete(r) Doherty heute ein Mitternachtskonzert im Golem spielt. Herr im Himmel, warum?! Doch ich stand bereits im Zimmer, ging zum Kleiderschrank und suchte mir passende Klamotten heraus. Die Adresse war auch schnell ins Navi eingegeben und zu guter Letzt packte ich noch ein paar Dinge zum Signieren ein.

Eine Anmerkung aus dem Jahr 2021

Beim Auftritt im Grüner Jäger hatte ich mir bereits den Flyer und Sequel To The Prequel signieren lassen. Leider war der Edding durch die zu früh abgenommene Kappe schon ziemlich trocken. Somit schaffte es nur die Unterschrift von Mick Whitnall sichtbar auf dem Hitfeuerwerk zu verbleiben. Das sollte an diesem Abend besser laufen! Doch wo wir schon in Gedanken erneut im Jäger sind. Bei den Recherchen für diesen Artikel bin ich auf einem bekannten Videoportal auf weitere Songs des vorangegangenen Abends gestoßen. Somit umfasst die unvollständige (?) Setlist nun bereits acht Songs. Dr. No, Loser, Carry On Up The Morning, Arcady, Time For Heroes, Sheepskin Tearaway, What Katie Did und Beg, Steal Or Borrow. Und vielleicht muss ich die Länge des Sets auf 30 Minuten korrigieren. Nun aber zurück ins Jahr 2014.

Rechtzeitig …

… machte ich mich also auf den Weg zur Hamburger Fischauktionshalle. Denn ganz in der Nähe befand sich das Golem. Nachdem ich meinen Wagen abgestellt und mir mein Zeug geschnappt hatte, begab ich mich zum Ort der kommenden Geschehnisse. Und hier sind die Erinnerungen mehr als schwammig. Sicher ist, dass nicht besonders viel los war. Zehn Euro Eintritt, auch sicher. Doch wann das Konzert begann? Nagelt mich nicht drauf fest, ich glaube, es war gegen halb 1 Uhr. Es war Peter Dohertys erster Auftritt im Golem, dem in diesem Jahr einige folgen sollten. Ich erinnere mich an Katia DeVidas und Bent Angelo Jensen im Publikum. Was mir natürlich erst später bewusst wurde. „Nun“, wird sich der eine oder andere vielleicht fragen, „alles schön und gut, aber wann taucht der Künstler des Abends auf?“ Geduld! Er betrat also gegen halb 1 Uhr die Bühne und lieferte ein Set, welches durch eine wahrlich ungewöhnliche Songauswahl bestach.

Wieder im Jahr 2021

Es gibt einfach nichts zu finden. Keine Setlist, keine Videos, es ist nicht zu fassen! Nach der gefühlten 100. Google-Suche schaue ich mir ein Foto genauer an. Ich vergleiche es mit anderen Bildern und langsam dämmert es mir. Es gibt also doch etwas zu finden, einen Blogbeitrag, warum habe ich das nicht vorher erkannt? Dank diesem kleinen, aber feinen Artikel werden Erinnerungen in mir wach, von denen ich nicht mehr wusste, dass sie in mir schlummern. Del Shannons Runaway, klar! Wie sehr hatte mich das damals begeistert?!

Der Libertine als Mixtape

Doherty lebt auf der Bühne. Das war auch vor sieben Jahren so. Und er spielte eine unterhaltsame Mischung: Unter anderem Don’t Look Back Into The Sun, A Little Death Around The Eyes, typische Verdächtige, möchte man meinen. Doch überraschte er (mich) auch. Runaway von Del Shannon. Culture Clubs Karma Chameleon?! Diese und andere Perlen wurden dargeboten und die Frage für mich lautete an diesem Abend bestimmt: Was passiert hier? Eine Nachtvorstellung, die viel Spaß machte und durch ihre Kurzweiligkeit eben auch ein gefühlt viel zu frühes Ende fand. Als ob ihm der Stecker gezogen wurde, sank der Musiker nach der Vorstellung mit dem Rücken an der Wand herunter und blieb einfach sitzen. Die Autogramme konnte ich dadurch nun endlich vollenden lassen, doch fiel mir dabei auf, dass Doherty nicht wirklich da war.

Es war spät geworden. Doch so war es eben. Als ich mit meinem Wagen über die Reeperbahn brauste, war es mir, wie so oft, egal.

Heute

„Die Autogramme konnte ich dadurch nun endlich vollenden lassen, doch fiel mir dabei auf, dass Doherty nicht wirklich da war.“

Damals romantisierte ich dieses Kaputte noch viel zu sehr. Berichterstattungen über ihn verloren und verlieren oft noch immer keine oder eben kaum Worte über seine Musik. Das wollte das Golem ändern.

Es ist erschreckend, wie Erinnerungen immer mehr verblassen. Was noch als Erinnerung an diesen Abend bleibt? Das Gefühl, alles richtig gemacht und einen tollen Moment erlebt zu haben.

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