“Du musst jetzt wirklich los, um die Bahn noch zu kriegen.”
Treppe runter, Mist – Regenschirm vergessen! Wieder hoch, Schirm gegriffen, runter und raus. Just aus der Tür, beginnt es zu regnen. Ich verbessere mich, es schüttet, ich habe einen Kater und muss in nicht einmal 20 Minuten am Bahnhof sein. Why does it always rain on me?
Das wäre ein passender Soundtrack gewesen. Doch der Himmel klarte noch auf, der Kater verschwand und die Exkursion mit Deep Dyed wurde ein voller Erfolg! Die Fotos von der Hamburger Nachwuchsband (darf man das so sagen?) sind spitze geworden, die Luft durch den Regen sauber gewaschen, die Reise nach Dollern hat sich also gelohnt! Deep Dyed, ein entspannter Haufen: Aylin, John, Lukas und Hauke, die sich nun mit mir einen Tisch teilen, um über ihre Band, den bevorstehenden EP-Release und mehr zu quatschen. Ein Swimming Pool landet vor mir und ich glaub’ es geht schon wieder los …
Let’s Start a Band
Wie kann ich mir das heutzutage vorstellen – ist das irgendwie romantisch als Band zusammenzufinden, oder läuft das über eine Anzeige?
Woher kennt ihr euch? Wie seid ihr so zusammengekommen?
John: Ich fand es eigentlich schon ziemlich romantisch, wie wir zusammengekommen sind. Also wir kennen uns halt zum Teil auch schon ein bisschen länger, in unterschiedlichen Konstellationen. Und machen auch schon länger zusammen Musik. Letztendlich sind wir über Aylins Schwester zusammengekommen. Wir haben dann ein bisschen zusammen gejammt und ja, so ist das entstanden. Wir haben begonnen Songs zu schreiben, haben angefangen Songs zusammen zu spielen, die wir schon vorher geschrieben hatten … Genau, Hauke war dann mit dabei, Lukas ist dazu gekommen und dann haben wir angefangen unser Ding zu machen.
Als Band in Zeiten von Corona zu starten, ungünstiger kann es ja gar nicht losgehen. Nun entspannt es sich aber langsam. Wie ist das momentan für euch als Band? Habt ihr einen Band-Alltag? Ist das überhaupt möglich?
Aylin: Also wir treffen uns immer noch regelmäßig zum Proben. Von daher würde ich schon sagen, dass wir noch diesen Band-Alltag haben. Es ist halt ganz cool, dass wir diesen Livestream in der nächsten Woche spielen.
Wo können interessierte Leser den sehen?
Aylin: Den gibt es über YouTube und wir machen das in Kooperation mit dem Kultur Palast Hamburg. (Nicht mehr live, aber noch immer online, das Konzert beim Kultur Palast, zu finden hier.)
Und das ist eigentlich insofern cool, dass man nochmal sowas hat, worauf man halt hinarbeitet – auf diesen Auftritt. Dass man nochmal konzentriert das Set spielt und sich zum Spielen zusammensetzt. Das ist echt cool! Aber auch sonst, bevor das anstand, haben wir wieder angefangen uns zu treffen, zu proben, als das wieder erlaubt war. Das habe ich auch sehr gebraucht.
John: Ich glaube, das hat jeder von uns gebraucht.
Was fehlt euch denn jetzt am meisten?
John und Lukas: Das Live spielen!
John führt weiter aus: Vor Leuten spielen, die direkte Reaktion der Leute zu bekommen – der Applaus!
Es gibt zustimmendes Gelächter aus der Runde, bevor Lukas fortfährt: Das Ding ist halt folgendes: Die Songs sind bereits echt lange fertig, schon seit letztem Jahr im November. Wir hatten noch nicht so viele Möglichkeiten, die live zu spielen und Reaktionen von den Leuten einzuholen. Weil wir halt mittlerweile unsere Meinung zu den Songs haben. Die haben wir schon oft genug gehört und wollen jetzt wissen, was andere Leute dazu sagen.
Wie viele Auftritte als Band hattet ihr jetzt?
Lukas: Drei oder vier?
John: Vier oder fünf?
Es werden immer mehr!
John: Uebel & Gefährlich, Sommersalon, im Bambi Galore, WoZi. Es waren vier. Drei in Hamburg, einen in Lüneburg.
Aylin: Und eigentlich sollte es jetzt so richtig losgehen! Mit dem Release und so, aber da kann man nichts machen. Jetzt muss man das aussitzen.
Erinnerungen
Hin zur Musik! Eure EP erscheint am 24. Juli Digital und auch als Kassette – ungewöhnliches Medium!
Aylin, als wir darüber gesprochen hatten, meintest du aber, dass es zum Aufnahmeprozess passt, weil ihr auf Bändern aufgenommen habt. Erzählt doch mal!
Hauke: Ich habe mir im letzten Jahr eine Bandmaschine gekauft, in so einem kleinen Musikgeschäft in Ostfriesland. Ich wollte schon immer eine haben. Da war gerade eine am Start, die halt gepasst hat. Dann musste ich sie nur noch reparieren.
Lukas: Das war auf jeden Fall witzig, um jetzt mal zum Aufnehmen zu kommen.
Hauke: Wir haben uns zusammen ein Tape gekauft, wo eine halbe Stunde raufpasst. Dadurch konnten wir pro Song nur einen Take aufnehmen. Also mehr hätte nicht gepasst. Und wir haben halt vier Spuren zusammen eingespielt, dann noch Overdubs gemacht und den Gesang nachträglich aufgenommen. Aber eben alles auf Tape.
Für die Musik-Geeks:
Inwiefern unterscheidet sich das dann von einem herkömmlichen Aufnahmeprozess?
Hauke: Nicht so sehr. Aber es klingt ein bisschen wärmer und weicher und hat so eine leichte Laufzeitschwankung. Es variiert ganz leicht von der Tonhöhe, dadurch klingt es irgendwie organischer.
Lukas: Es ist auch irgendwie noch immer was Besonderes. Weil du halt schon nur einen Take machst und nicht tausend Versuche hast. Da haben wir dann auch irgendwann gesagt, okay, wir haben jetzt ein paar Takes, lass uns die mal anhören. Und dann haben wir halt welche genommen, wo auch Fehler drin sind. Das ist halt nicht perfekt, das ist das schöne dran.
John: Das macht es halt auch aus!
Aylin: Dass auch das Feeling in dem Moment rüberkommt. Was manchmal halt auch viel wichtiger ist, als das perfekt zu spielen.
Es ist einfach geil so ein Tape zu haben!
Lukas von Deep Dyed, Juli 2020.
Als du (Aylin) mir im letzten Jahr von der Band erzählt hattest, dachte ich mir, dass ihr halt Musik macht und diese dann bei einem Streamingdienst hochladen werdet Und dann die Überraschung – gesigned bei La Pochette Surprise Records!
Wie ist es denn dazu gekommen?
John: Letztendlich kam es über Velvet von La Pochette Surprise zustande. Das sind auch schon wieder so unterschiedliche Connections, die wir zu Velvet haben. Ich habe früher schon mal mit einer anderen Band auf dem Label gespielt, Strato hieß die. Da habe ich Velvet dann auch kennengelernt. Und der Kontakt ist immer ein bisschen dageblieben, über Social Media und sowas. Man hat immer ein bisschen ausgecheckt, was bei dem anderen so los ist.
Aylin: Und Martin …
John: Genau, Martin hat bei Strato Drums gespielt. Der spielt jetzt bei Swutscher und der ist dann zu einem Konzert von uns gekommen und meinte so: „Ihr müsst das definitiv Velvet zeigen.“ Und vorher dachten wir noch, wir bringen es halt selber raus. Also wir haben gar nicht daran gedacht, ihm das zu zuspielen, weil wir irgendwie unser Ding machen wollten. Dann fand er es aber so gut, ist bei einer Probe vorbeigekommen, hat sich das angehört, war begeistert und dann haben wir direkt abgemacht, dass wir es über ihn veröffentlichen.
Auch romantisch!
John und Aylin stimmen zu: Ja, super romantisch!
So gar nicht bemüht, es ist einfach passiert.
John: Ja und Velvet hat irgendwie angefangen mit diesem Label, in dem er halt mit den Bands Tapes gemacht hat. Deswegen ist es bei uns auch wieder das Medium. Er macht zwar zur Zeit auch Vinyl-Veröffentlichungen, aber wir fanden es dann cool, wenn wir auch erstmal mit den Tapes starten und gucken wie es dann weitergeht.
Freunde und mehr
Bleiben wir bei dem Kassetten-Thema.
Desert Muse Vintage ist verantwortlich für eure Single Covers – Blue Levitate Hours und Trapped Inside A Maze. Sie kommt aber aus Tucson, Arizona.
Wie ist es zu dieser spannenden Verbindung gekommen?
John: Genau, das ist Carolina. Carolina ist meine Freundin. Long story … (lacht) Sie macht halt schon seit Jahren super viele Kunstprojekte, macht das aber eigentlich eher so für sich. Und wir haben es alle so sehr gefeiert! Dann hatte sie Lust unsere Covers zu machen – es hat alles irgendwie gepasst! Es hat zu dem Vibe gepasst. Zu der Musik und wir haben es alle irgendwie gefühlt. Und dann kam das halt dabei raus.
Wo wir jetzt schon bei den Singles sind, zu Blue Levitate Hours gibt es ja sogar ein Video.
Wieso habt ihr euch denn nicht für Orion entschieden?
Ich finde, das ist so ein geiler Song und der wird da einfach am Anfang geparkt …
Aylin: Ich weiß es gar nicht so genau. Klar, Orion, schön, dass du findest, dass das ein starker Song ist! Wir finden das auch, würde ich sagen. Aber irgendwie hat Blue Levitate Hours auch so …
Hauke: Mehr Energie irgendwie.
John: Ich glaube, wir wollten erstmal auf uns aufmerksam machen mit einem etwas kräftigeren Song. Und Orion ist halt auch unser Starter auf der Kassette. Da kommt er halt auch nochmal ganz besonders zur Geltung. Vielleicht wollten wir uns das auch ein bisschen dafür aufsparen.
Wir hatten das vorhin schon angeschnitten, dieser Videodreh, dafür seid ihr extra rausgefahren.
So wie heute auch. Wollt ihr dazu noch ein paar Worte verlieren?
Lukas: Wir waren in der Fischbeker Heide, das ist so ein Stück raus aus Hamburg. Es ist für uns ein relativ vertrauter Ort, wir sind da eigentlich schon oft. Weil es ganz geil ist, wenn man mal aus der Stadt rauskommt. Und zu der Story, oder zu dem Musikvideo. Wir haben uns nicht so viele Gedanken um einen Verlauf gemacht. Wir haben halt irgendwie Sachen gefilmt und daraus einen Mini-Leitfaden gemacht. Auch so ein bisschen rumgeblödelt, Konzertaufnahmen reingeschnitten. Ich fand, das war einfach ein schöner Kontrast, du hast da Natur und Bandkonstellationen auf der Bühne.
John: Genau, wie Lukas auch schon meinte, das Video ist halt ein kompletter Kontrast zu zum Beispiel unseren Covern. Es ist halt schwarzweiß. Eher so ein bisschen zurückgenommen.
Wer hat das denn gedreht?
Aylin: Das hat Jonas gemacht! Das war ganz cool, dass wir ihn dabeihatten. Weil wir kennen ihn alle und das war dann irgendwie schön, weil es dann beim Drehen auch super vertraut war.
Lukas: Immer cool, wenn man Freunde dabeihat, die dann einfach so Sachen machen. Es war ja auch gar nicht viel geplant, wir hatten einfach Bock, Jonas hatte Bock das zu machen.
John: Wir sind eigentlich einfach losgefahren.
Aylin: Im Zweifel wäre es halt einfach ein entspannter Tag zusammen geworden.
John: Halt do it yourself einfach.
Lukas: Eigentlich relativ ungezwungen die Sachen, ohne viel Druck gemacht. Ich finde, da entstehen eigentlich immer gute Sachen.
Aylin: Es ist dann halt auch echter, wenn man da selber viel drinsteckt.
Quelle: YouTube, La Pochette Surprise Records
Wie funktioniert die Band und was Wird aus 2020?
Wir hatten ja schon eben über die Anfänge der Band gesprochen.
Wie kann ich mir das vorstellen, vier Leute haben verschiedene Ideen, kommen aus verschiedenen Projekten, haben auch noch altes Material an Bord – wie habt ihr euren Sound gefunden?
Hauke: Also meistens ist es halt so, dass entweder John oder Aylin einen Song an den Start bringen. Zum Teil haben sie dann auch schon Vorstellungen, in welche Richtung das gehen soll. Aber dann ist es halt so, dass wir alle unser eigenes Ding, unsere eigenen Parts, da reinbringen. Und dann entwickelt sich das.
Aylin: Das ist auch das Schöne daran. Dass man eine Idee hat und das eben daraus durch genau diese vier Menschen eine Sache entsteht, die ich zum Beispiel alleine nie so hätte machen können. Das ist total schön. Dass sowas daraus entstehen kann. Das ist das, was es für mich ausmacht.
Heißt also, dass das ganze Bandgefüge auch total demokratisch funktioniert?
John: Also wenn man einen Song schreibt, dann hat man meistens schon eine gewisse Vorstellung. Aber wir versuchen eigentlich alle relativ offen zu bleiben. Wenn einer mit etwas komplett nicht cool ist, dann machen wir das halt auch nicht.
Aylin: Ja und manchmal kommt es dann halt auf den Song an. Also wenn dahinter wirklich was steht, was man genauso rüberbringen möchte, wie es eben im Kopf ist! Dass man dann sagt, das habe ich mir so vorgestellt, dass genau dieses Gefühl, als es entstanden ist, rüberkommt. Dass man dann eben sagt, dass es einem wichtig ist. Und das ist dann auch okay. Ich würde sagen, es ist wirklich abhängig von den Songs.
Lukas: Nochmal zum Sound – wie haben wir unseren Sound gefunden? Also ich würde nicht sagen, dass wir unseren Sound gefunden haben. Es ist halt so: Da kommt eine Idee und die wird durch vier verschiedene Köpfe mit verschiedenem musiktechnischem Background gefiltert, obwohl wir auch alle relativ ähnliche Musik hören. Aber jeder hat halt auch seine eigene Schiene, jeder hat seine eigenen Einflüsse. Und das ist halt so ein Wirrwarr aus unseren Sachen und daraus entsteht dann halt solch ein Sound. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns überlegt haben: „Ok, wir möchten jetzt gerne so klingen.“ Sondern, das hat sich halt entwickelt, dadurch, dass jeder seinen Beitrag geleistet hat.
Corona, Black Lives Matter, Trump macht sowieso was er will, jetzt will sogar Kanye West Präsident werden.
Was glaubt ihr, findet 2020 noch ein friedliches Ende?
John: Eigentlich schon, oder? Eigentlich soll man ja positiv denken. Ich glaube wir lernen alle viel aus diesem Jahr. Kann ich nur für mich sagen.
Lukas: Die Amerika-Sache, ich glaube, das dauert halt noch ein bisschen, bis man sich da einig wird. Ist ja auch die Frage, ob man sich da jemals einig wird. Corona, wollen wir halt hoffen, dass es nicht schlimmer wird. Auch im Hinblick auf Konzerte und sowas, allgemein Veranstaltungen im Kulturbereich. Da kann man nur hoffen, dass es langsam wieder Lockerungen gibt.
Aylin: Aber es bringt halt auch nichts, zu sagen: „Oh Gott, 2020, das wird kein gutes Ende nehmen!“ Weil das auch nicht motivierend ist. Und deshalb glaube ich schon, dass es gut wird. Ich hoffe es.
Hauke: Wir versuchen auf jeden Fall so oder so das Beste draus zu machen!
Erwähnenswert bleibt am Schluss, dass dieses Interview vor einer wirklich schrägen Soundkulisse stattfand. Die meisten Songs im Restaurant standen Pate für die Clubatmosphäre, diese Tatsache und die folgenden Songs, die ich zuordnen konnte, sorgten doch für den einen oder anderen verdutzten Lacher:
Mark Forster – Au Revoir, James Blunt – Heart To Heart & Katy Perry – Dark Horse (als nachträglichen Soundtrack zur Lektüre).
An die Leser: Hier gibt es die Kassette zu kaufen (oder das Album digital zu erwerben).
Danke an Deep Dyed für den durch euch geretteten Sonntag Nachmittag, die neuen Erfahrungen und eure Zeit!
Text, Interview & Polaroid-Bilder: René Biernath
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