Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Once Upon A Time In … Scheeßel

Die Rückkehr

Zzz. Die Zigarette glüht in der Hand des Schichtarbeiters. Er zieht und ich an ihm vorbei auf meinem Weg in den Wahnsinn. Raucherpause für ihn, Pause vom Leben für mich. Die Zigarette glüht, ich verglühe. Ich, ein Mann auf Verfall gebürstet. Das Bild dieses jungen Mannes, der fünf Minuten Ruhe genießt und dazu im Kontrast die Menschen, die an ihm vorbei in das Chaos schreiten:
Hurricane!
Es ist wieder soweit! Die Einwohnerzahl wird an diesem Wochenende in Scheeßel verfünffacht und ich kehre nach fünf Jahren zurück. Was ist in dieser Zeit alles passiert? Das Festival war mir nach einer halben Dekade zu anstrengend geworden. Aber nun. Nun also die Rückkehr. Für einen Tag. Die Zeit scheint stehengeblieben, ich passiere parkende Autoherden, kaufe ein Dosenbier bei einem Anwohner und versuche meine Gedanken zu ordnen. Das Telefon wird heute kaum genutzt und es ist befreiend. Beim Erreichen der Bändchenausgabe registriere ich bereits die strahlende Sonne am Himmel. Sie wird den ganzen Tag über das Festival wachen. Ein seltener und gleichzeitig schöner Umstand. In der Schlange, der sogenannten Fast Lane, lerne ich ein Elternpaar auf Freigang kennen und nach dem Anlegen des Festivalbändchens trennen sich unsere Wege. Aber natürlich erwähne ich sie nicht umsonst. Beim Schreiben dieser Zeilen entdecke ich Glitzer auf meinem Bein. Wo kommt denn der her? Egal, zurück nach Scheeßel! Nun ist es also soweit. Die Gittergänge, das Abtasten, Festivalgelände. Ich bin zurück! Kein Fanfarengeleit, keiner meiner Freunde, die ich heute hier treffen will, begrüßt mich mit einem Bier in der Hand. Sie braten vielleicht noch im Zelt oder bereits ihr Frühstück. Gänzlich unspektakulär betrete ich also die Festivalgründe. Ich erfahre nicht, wo meine Freunde stecken, denn zumindest ist in diesem Moment niemand zu erreichen und ich wandere zur Forest Stage. Schmutzki spielen und es haben sich doch bereits einige Festivalgänger versammelt. Ich bin dezent erstaunt! Den Versuch, eine Freundin, die bei der vorigen Band sein wollte, zu finden, lasse ich nach kurzer Zeit und mich in den Moment fallen. Denn Schmutzki kennen die beste Bar der Stadt und ich beginne Spaß zu haben und etwas zu tanzen.

Quelle: YouTube, SCHMUTZKI

Da die Sonne wirklich sticht und ich einen langen Tag vorausgeplant habe, ziehe ich weiter, das Gelände erkunden. An der Gabelung zwischen River und Mountain Stage entledige ich mich bereits meines Shirts und nutze es, einfach auf meinen Kopf gelegt, als Sonnenschutz. Meine Jacke schützt meinen Oberkörper und in genau diesem Aufzug treffe ich die zwei Menschen vom Anfang der Geschichte wieder. Begeistert möchte ich mich anschließen und dieser Wunsch wird mir erfüllt. Nun fehlt nur noch ein Detail zum Glück. Genau, ein Bier! Und um sicher zu gehen, bestelle ich einen Liter.
Wir beginnen zu trinken, zu reden und gleichzeitig versuchen wir unsere Freunde zu erreichen. Ein sinnloses, sowie einzig und allein frustrierendes Unterfangen. Mobilfunk auf deutschen Festivals – eine einzige Katastrophe! Aber das ist ein anderes Thema. Auf der River Stage beginnen die Idles ein krachendes Set, doch wir beschließen der Alex Mofa Gang einen Besuch abzustatten. Und werden dort überrascht! Song für Song steigt die Stimmung und auch der Pegel! Wir tanzen, applaudieren und genießen unser erstes Konzert des Tages. Irrtümlicherweise bin ich fest davon überzeugt, den Sänger als Schauspieler einer deutschen Serie wieder zu erkennen. Wie gut, dass ich diese Erkenntnis eifrig mit meinen Gefährten teile. Denn zu Hause muss ich feststellen, dass ich mich anscheinend geirrt habe. Ihr Lieben, jetzt ist der Irrtum aufgeklärt. My bad!

Von Sonnencreme und Setlisten

Ich wache auf. Was ist davor passiert? Dafür spulen wir ein paar Stunden zurück. Unsere Reisegruppe hat ihre Freunde gefunden und ich werde, bevor ich meine treffe, noch mit Sonnencreme eingeschmiert. Danke für diese lebensrettende Maßnahme! Geheimnisvoll nenne ich meinen Kontakt für diesen Tag hier M. Denn nun, endlich, nach vielen Stunden Netzfrustration fallen wir uns in die Arme und die Party beginnt!
Streng genommen geht sie natürlich weiter. War ich bei der Mofa Gang bereits mit Vollgas unterwegs, halte ich es für eine gute Idee diese Geschwindigkeit zu halten. Bei Frank Turner sichern wir uns mit Bier bewaffnet gute Plätze und langsam macht sich der starke Alkoholkonsum bemerkbar. Wie naiv man sein kann. Zu Überraschung Nummer Eins gesellt sich die Songauswahl, ich rechne mit vielen Powersongs von Positive Songs For Negative People, doch Mister Turner entscheidet sich für eine bunte Bonbontüte. Diese ist schön, aber nicht das, was ich gerade brauche, nämlich ein High Energy-Konzert! Dennoch ein tolles Konzert Nummer 2352 und mit Long Live The Queen erfüllt er mir einen Wunsch, den ich gar nicht laut ausgesprochen hatte.

Quelle: YouTube, FrankTurnerVEVO

Es geht weiter mit Bier und einem anderen Act, auf den wir uns schon sehr freuen. Muff Potter! Was gibt es da groß zu sagen? Das Konzert im Februar in der Markthalle war ein Knaller! Und nun wieder, Nagelschmidt, Muff Potter, Sonne, M und Bier! Wir geben alles, tanzen, singen, eher Grölen, dennoch, das Set lässt enttäuscht zurück. Wie bereits bei Frank Turner bin ich verwundert, was die Setlist angeht. Leider kein Wunschkonzert. Wir stolpern weiter, hechten zu Johnny Marr, denn den müsse man ja mal gesehen haben. Darüber lässt sich streiten und ja, ich höre die Indie-Polizei beim Schreiben dieser Zeilen schon Schnappatmung bekommen. Die enormen Mengen an Bier beginnen nun Besitz von meinem Körper zu ergreifen. Doch M ist da, reagiert schnell, er versorgt uns mit den leckersten Chicken Nuggets der Welt. Mein Wunsch nach einem Bucket wird abgeschmettert, ich bin tief enttäuscht, doch wie bereits erwähnt, es sind die besten Nuggets der Welt! Und diese beruhigen mich auch in geringerer Stückzahl. Glücklich beseelt gebe ich die Reste meiner Portion an M weiter, soviel zur Dringlichkeit eines Eimers voller Nuggets. Mir ist schummrig, Bloc Party liefern den entspannten Soundtrack. Ich lehne mich zurück, lasse mich auf meine Jacke fallen. Und wache auf.

Bequemlichkeit, ein Banjospieler und sein Fazit

Wieder im Leben und zufrieden über mein kleines Schläfchen zieht es uns an die River Stage um The Wombats zu sehen. Um deren Auftritt aber wirklich genießen zu können, müssten wir weiter Richtung Fluss schreiten. Doch wir sind faul, hören Moving To New York und lassen uns dann von anderen Dingen ablenken. AnnenMayKantereit, nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Es ist ein schönes Set, ein Durchatmen und mittlerweile ist meine Stimme der von Henning May mehr als nur ähnlich. Oft gefragt, Dämme brechen.
Nachdem M dafür gesorgt hatte, dass ich seit meiner Wiederauferstehung auf meinen Konsum achte, beginnen wir wieder Bier zu trinken und streifen erneut durch das Gelände. Etwas Macklemore, doch auch hier zu weit weg, um wirklich in Stimmung zu kommen. Dennoch schön, ich mag ihn, seit seinem ersten Auftritt hier, 2013, auch wenn er wie früher etwas viel sabbelt. Somit zieht es uns wieder zurück Richtung Wald, denn auf der Forest Stage geben niemand geringeres als Mumford & Sons schöne Musik zum besten. Es gibt wieder Bier und ich zücke mein Luftbanjo:
I Will Wait
Wild und hemmungslos genieße ich die Existenz dieses Moments und wie M mir später erzählt, sind viele Konzertbesucher vor meinem leidenschaftlichen Banjospiel in Sicherheit gesprungen. Ich muss bei dieser Erzählung lachen und bin natürlich froh, dass ich niemandem sein Bier aus der Hand getanzt habe. Danke für jedermanns Verständnis! Tatsächlich geht es von nun an schnell. Und zwar vorbei. Meine Füße schmerzen und als letzter Act steht für uns Steve Aoki auf dem Programm, sowie die Frage, ob ich noch bis zur ersten Bahn am nächsten Morgen bleibe. M knickt ein, es sei morgens zu heiß, um lange im Zelt auszuschlafen, deshalb ist der Matratzenhorchdienst früh angesetzt. Ich bin etwas enttäuscht und gleichzeitig erleichtert! So sehen wir uns also zusammen die erste halbe Stunde Personenkult Steve Aoki an. Ein farbenfrohes Elektro-Feuerwerk, wäre ich nicht den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, würde ich feiern, trinken, die Bahn am nächsten Tag nehmen. Die Frage würde sich gar nicht stellen! Aber die Realität sieht anders aus und aus eben diesem Grund entscheide ich mich zuzuschauen, aufzusaugen, still zu genießen und das Ende eines verrückten Tages zu akzeptieren.

Quelle: YouTube, HurricaneFstvl

Was noch zu sagen bleibt?
Ich verlasse das Gelände, glücklich, mit einem Kaffee in der Hand und dem Gedanken im Kopf, zurückzukehren. Dann aber Green Camping. Danke M!

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