Renes Redekiste

Interviews & Polaroid-Fotografie

Oliver Gottwald

Oliver Gottwald,
meine musikalische Überraschung auf dem Müssen Alle Mit-Festival 2015!
Genau, das ist schon bald drei Jahre her, das muss auch ich erstmal sacken lassen. Trotzdem ist er bis heute in meinem Gedächtnis und bleibt ein gern gehörter Musiker, der mich immer wieder mit seinen leichtfüßigen Songs zum Tanzen bringt! Nun denn, besagter Herr war am 1. Juli in Hamburg, um auf der Frau Hedi zu spielen! Und um dann ein wenig mit uns zu sprechen. Das Gespräch in der Sonne, mit einem kühlen Getränk, direkt am Wasser sitzend, wird mir noch länger in schöner Erinnerung bleiben. Danke dafür! Und wie Olli nun sagen würde: Olá!

Wer ist denn eigentlich Oliver Gottwald?
Davon gibt es viele verschiedene: Derjenige, den du meinst, ist Teil seiner gleichnamigen Band, singt Lieder über Liebe, Melancholie und Wahnwitz und trifft dabei den Pop meistens ziemlich gut. Außerdem liebt er es zu touren.

Oliver Gottwald und der Support des Abends: Shelly M. Phillips

Deine Antwort auf die vorige Frage war, dass es viele verschiedene Seiten von dir gibt. Nun gibt es neben dem Musiker, auch den Oliver Gottwald, der was zu sagen hat. Du positionierst dich klar gegen Rechts und trittst auch für die gleichgeschlechtliche Liebe ein! Du hast ja gestern auch noch mal gegen die AfD einen Post gesetzt, weil da in Augsburg, deiner Heimat, was los war …
Gestern war Bundesparteitag von der AfD. War fast ein bisschen schade, dass wir nicht da waren. Weil, was ich so von meinen Freunden und Bekannten gehört habe, war da richtig viel los bei der Gegenveranstaltung. Das muss super toll gewesen sein! Das sind dann echt Momente, wo man echt froh ist in so einer Stadt zu wohnen, wo dann alle sich engagieren und klar Kante und Flagge zeigen gegen diesen Schmarrn!

Was denkst du über die Leute, die stolz Menschen mit AfD-Sympathien oder homophoben Gedanken aus ihren “Freundeslisten” verbannen, damit also selbst die Möglichkeit einer Diskussion im Keim ersticken? Denn es gibt ja auch Musiker, wie Frank Turner, oder auch Christoph Schneider, der Schlagzeuger von Rammstein, die sich klar für einen Dialog aussprechen! Was sagst du dazu?
Ich bin, wenn es geht, immer für Kommunikation. Ich würde auch nicht alle, die jetzt mit der AfD sympathisieren, als Vollidioten abtun. Also ich glaube auch, dass man mit den Leuten reden muss und versuchen, sie zu überzeugen, dass das eben der falsche Weg ist. Und ich würde jetzt nie jemanden generell als Nazi oder Arsch abstempeln. Ich würde zunächst immer versuchen mit den Leuten zu reden. Um zu erfahren, wieso der oder diejenige so denkt und dann Argumente austauschen. Bei manchen funktioniert das ja vielleicht auch. Bei anderen nicht und dann kann man auch nichts mehr machen (beginnt zu lachen).
Nee, das denke ich auch. Aber ich glaube halt, das gefährliche ist wirklich, wenn man die in der Mitte zurücklässt und dann die Schotten hochzieht. Dadurch werden ja Vorurteile auch noch untermauert.
Ja, vor allem macht man sich dann selber ja auch nicht viel besser als den anderen. Also ich glaube schon, dass Kommunikation der Schlüssel ist zu allem. Und vielleicht kommen dann wirklich manche dann drauf, dass das einfach eine rückwärtsgewandte und blöde Einstellung ist. Und dass das auch nicht mehr zeitgemäß und einfach auch unmenschlich und schlecht ist.

Kommen wir auf deine Heimat, Augsburg, zu sprechen. Du lebst und wirkst bereits seit deiner Zeit mit Anajo dort. Gefühlt zieht es aber alle nach Berlin. Warum bist du in Augsburg geblieben?
Na ja, wieso denn nicht? Man muss ja nicht unbedingt nach Berlin gehen. Also, ich habe mir das tatsächlich auch lange überlegt. Und dann hat es sich auch nie so ergeben. Also meine Band war in Augsburg und ich habe einen sehr schönen Proberaum und ich mag die Stadt auch sehr gern. Es ist auch eine gute Stadt zum Arbeiten tatsächlich. Weil du hast auch nicht so viel Ablenkung. Ich will jetzt nicht sagen, dass nichts los ist in Augsburg, aber es ist natürlich schon ein Unterschied zwischen Augsburg und Berlin. Oder auch zwischen Augsburg und Hamburg. Und ich bin viel unterwegs. Also von daher vermisse ich in Augsburg nicht wirklich viel. Ich mag es da. Und deswegen bin ich da.

Du sitzt jetzt hier im Gespräch mit der Redekiste. Wir hatten gerade das Thema Augsburg. An der bekannteren Kiste kommen wir also gar nicht mehr vorbei. Was ist dein Lieblingsstück der Augsburger Puppenkiste?
Aah (lacht)! Die Firma, in der mein Vater gearbeitet hat, hat jedes Jahr Karten bekommen, für Weihnachtsmärchen. Da wurden immer im Dezember Weihnachtsmärchen, oder Märchen halt, es muss gar nicht ein Weihnachtsmärchen sein, aber es war immer zur Weihnachtszeit. Und da wurden dann immer Märchenklassiker aufgeführt. Die fand ich immer total schön. So diese Klassiker, die habe ich gar nicht im Kopf. Ich glaube, ich habe das auch nie gesehen in der Augsburger Puppenkiste. Was auch ganz nice ist, einmal im Jahr gibt es da ein Kabarett-Programm, dass sich dann vornehmlich an Erwachsene richtet und nicht an Kinder. Und das ist auch immer sehr nett gemacht.

Du wirst in diesem Jahr 40 Jahre alt! Olli: Um Gottes Willen!

Wow! Wie erhältst du dir deine jugendliche Leichtigkeit?
(Lacht wieder)
Oh Gott, keine Ahnung. Viel rauchen, Musik. Ich versuche offen zu bleiben und nicht in starre Muster zu geraten. Ich hoffe, das gelingt mir, ich weiß es nicht. Manchmal erschrecke ich dann so ein bisschen, wenn ich jetzt daran denke, dass ich dieses Jahr 40 werde. Aber auf der anderen Seite ist es mir die meiste Zeit auch egal. Weil ich kenne auch so viele Leute, die wesentlich älter sind, über 50, oder über 60 und die einfach total open-minded und cool sind. Und sich ihre Neugier und Offenheit bewahrt haben. Also, ein sehr guter Freund von mir, der ist 67, Rentner, das ist eine ganz interessante Geschichte. Mit Mitte 50 hat er sich geoutet. Familienvater, mit zwei Kindern. Da hat er dann mit Mitte 50 so nochmal begonnen, seine Jugend zu leben. Das war total interessant, das so mitzugehen, diesen Weg. Er ist ein super Beispiel, wie man auch im etwas gesetzteren Alter, wie man da immer noch total offen sein kann. Und dagegen ist halt 40 nichts. 40 ist das neue 20 (wir lachen herzlich)!

Quelle: YouTube, Oliver Gottwald

“Es ist wie eh und je, wie an jedem anderen Tag, keinen Schritt nach vorn gewagt.”
Mit unter anderem diesen Worten eröffnest du “Perpetuum immobile”. Hast du dich damals selbst in diesem Zustand nach dem Ende von Anajo wiedergefunden?
Nicht wirklich. Das Lied ist eher eine humorvolle Betrachtung von Prokrastination, die ich vor allem aus meiner Zeit als Student kenne. Im Endeffekt kann man solchen Situationen, so ätzend sie auch sein mögen, aber viel Positives abgewinnen. „Perpetuum immobile“ hätte ich beispielsweise, wenn alles immer wie am Schnürchen gelaufen wäre, nicht geschrieben.

Quelle: YouTube, Oliver Gottwald

Deine aktuelle “Lieblingslieder”-EP beherbergt das Lied “Mustangmann”. Dort singst du über den Ausbruch des Max Mustermann. Wie wichtig ist es, deiner Meinung nach, zum “Mustangmann” zu werden?
Damit meine ich nicht, dass man zum Aussteiger werden, alles stehen und liegen lassen und auf die Gesellschaft pfeifen sollte. Aber ich glaube, dass es immer sinnvoll ist, Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und notfalls abzulegen. Wie langweilig und trist wäre die Welt, wenn da nur Erika und Max Mustermanns herumliefen.

Generell sind deine Songs, besonders deine Texte, erfrischend  außergewöhnlich. Ich denke da gerade mal nur an “Alles muss raus“. Was inspiriert dich in deinem Songwriting?
Das können sehr unterschiedliche Dinge sein: Bücher, Filme, Gespräche oder meinetwegen auch mal unzusammenhängende Wortfetzen, die ich in der Kneipe aufschnappe. Wenn mich etwas catcht, male ich mir sofort einen Song aus.

Dein Solo-Album in 2015 und deine aktuelle EP im letzten Jahr …
Und über ein neues Album wird noch nicht konkret gesprochen.
Wie wäre es, jetzt damit anzufangen?
Also ich rede gerne über Dinge, die dann schon fertig sind oder die nicht mehr gemacht werden müssen. Aber das muss natürlich gemacht werden und wir sind dabei. Ich habe jetzt in letzter Zeit viele Songs geschrieben und von den Songs her ist es fast schon ein Album-fast schon Albumlänge. Ich denke so zwei, drei, vier sollten noch dazukommen und dann kann man sich mal konkret Gedanken machen, wie man das aufnimmt und in welche Richtung es gehen soll. Ja, welchen Sound, welches Gewand das Album bekommen soll.
Also noch ganz früh alles.
Mhm, ja. Die Songs sind fertig. Also die würden tatsächlich auch schon funktionieren. Wenn ich mir jetzt eine Akustik-Gitarre nehmen würde und mich hier hinstellen und singen würde, dann würden die Songs funktionieren. Und zwar ziemlich gut! Das war auch die Idee, dass wir jetzt Songs haben, die, egal wie man sie spielt, funktionieren. Am Keyboard, Klavier, oder an der Akustik-Gitarre, dass der Song an sich, also als Melodie-Textkonstrukt an sich, funktioniert. Und das ist cool, weil dann schon ganz viel Arbeit gemacht ist, aber es ist auch auf der anderen Seite schwierig, weil es jetzt auch ganz viele Möglichkeiten offen lässt. Ich habe da wirklich Bock, Sachen auszuprobieren. Weiß aber noch nicht genau welche (muss anfangen zu lachen). Aber ich glaube, das ist ja genau das interessante, beim Probieren, dass man nicht genau weiß, wie es dann klingt. Ich habe schon so eine Idee im Kopf, aber ich kann es glaube ich noch nicht in Worte fassen, wie es klingen wird.
Aber es wird abweichen vom bisherigen Ding?
Du hast ja gerade das 2015er-Album angesprochen, das war sehr retromäßig vom Sound-Gewand. Dann haben wir danach ja, jetzt mit der EP, also mit den Stücken “Mustangmann”, oder “Stadt, Land, Fluss”, da sind wir dann ein bisschen in die poppigere, soundmäßig vielleicht ein bisschen auch in die elektronische Richtung wieder gegangen. Jetzt hätte ich Bock auf …, also ich stelle es mir ein bisschen rougher vor, als die Sachen wie “Mustangmann”, “Stadt, Land, Fluss” und so. Rough und mit interessanten Sounds. Akustik-Gitarre kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Aber ich rede jetzt über Dinge, von denen ich selber noch keine Ahnung habe (muss nochmal auflachen). Aber das geile ist ja, es gibt ja so diese Magic Moments. Also, egal, ob beim Songwriting oder auch im Studio, wenn man gerade an einem Song bastelt und dann macht man irgendwas, man spielt irgendwas ein und dann kommt auf einmal so ein Aha-Erlebnis, wo man dann merkt, das funktioniert ja total gut! Und das ist ganz oft Zufall. Ich kann das gar nicht genau erklären. Klar hat man eine Vorstellung, in der man sich sagt, so oder so soll das klingen. Und dann kommen irgendwie diese Überraschungsmomente und dann öffnet das mitunter ganz neue Türen. Wenn die Vibes gut sind, das ist ja die Voraussetzung, dass coole Stimmung ist, dass wir als Band gut zusammenarbeiten, aber da mache ich mir gerade keine Sorgen.

Ein entspanntes Gespräch bei schönstem Sonnenschein!

Seit drei Jahren bist du nun auch schon als Solo-Künstler unterwegs, was war in dieser Zeit dein bisher schönster Moment?
Gute Frage! Also, ich mag es generell sehr gerne live zu spielen, wir hatten superschöne Konzerte! Ich mag die Studio-Momente, die ich ja eben schon beschrieben habe und, das weiß ich nicht, kann ich nicht genau sagen. Das ist alles so ein Gesamtbild.
Ein schönes Gesamtbild!
Ja!

Nun sind wir schon bei der letzten Frage:
Star Wars oder Star Trek?
Da muss ich ganz eindeutig, wirklich ganz, ganz, ganz, ganz eindeutig sagen, Star Trek! Absolut! Ich bin totaler Star Trek-Fan!
Was übt da den Reiz für dich aus?
Ich finde bei Star Trek total interessant, diese eigene Welt, die da kreiert worden ist und vor allem die Visionen, die da mitgeteilt werden. Also, Menschheit lebt in Frieden, es gibt keine materielle Not mehr, es ist alles sehr politisch, sehr gutmenschenhaft, wenn man das so sagen kann. Ich bin vor allem großer Fan von der “Next Generation”-Staffel! Ich find die Charaktere ganz toll und ich find vor allem die Folgen teilweise richtig philosophisch, einfach toll!

Bonus:

Am 1. Juli spielst du in Hamburg auf der Frau Hedi, ein ungewöhnlicher Ort für ein Konzert! Was kannst du den Besuchern deines Konzertes für diesen Abend versprechen?
Als großer Fan von Hamburger Hafenrundfahrten freue ich mich besonders auf dieses Konzert. Und ich verspreche, dass ich versuchen werde, das Sparwitzniveau auf eine noch niedrigere Stufe zu senken.

Diese Antwort auf die letzte Frage aus dem vorangegangen E-Mail Interview wurde wahrheitsgemäß beantwortet. Es gab genau einen Sparwitz und das Konzert war ein wirkliches Highlight im Sonnenschein mit mitunter starkem Wellengang, der uns aber alle zum schmunzeln gebracht hat. Danke für diesen schönen Sonntagabend!

Live auf der “Frau Hedi”!

Euch hat es gefallen? Ihr ärgert euch, das Konzert von Oliver Gottwald verpasst zu haben? Dann haltet die Augen offen, wenn er wieder nach Hamburg kommt, informieren wir euch hier!

Text & Interview: René Biernath
Polaroid-Fotos: René Biernath (Bei Foto 2 & 3 bedanke ich mich herzlich für das Drücken des Auslösers bei Tom Reiling!)

Instant Film: Polaroid Originals Film, For Use With 600, Tropics Edition

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1 Kommentar

  1. Torsten 9. August 2018

    Hallo Rene !Das Konzert auf der “Frau Hedi” war wie das Wetter am Abend des 1.7. der HAMMER!!!Ich habe mich sauwohl gefühlt,es war wie im eigenen Wohnzimmer!Solche Konzerte sollte man öfter erleben!Entspannung pur.

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