Januar 2022. Bei meinen Recherchen zum Interview mit Tristan Brusch stoße ich auf Betterov. Das Stück Dussmann, welches die beiden zusammen vortragen, entzündet eine Flamme, die schlussendlich mit Viertel vor irgendwas in einer gewaltigen Detonation mündet: „An mir geht alles vorbei, ich bin die pure Langeweile. Das Einzige, was ich weiß, ich ertrag‘ mich nich‘ alleine.“ Das sitzt, das brennt sich ein und endlich läuft wieder Musik auf Dauerschleife.
Und immer noch gibt es Sachen, die man sich nicht ausdenken kann. Denn wie es der Zufall so will, kommt Betterov nach Hamburg und er hat auch Lust auf ein Interview. Zwischen der Anfrage und dem Gespräch liegen viele Stunden auf Schienen, Berlin, Vorfreude und das erste Mal Betterov live. Der Mann, dem ich nach seinem Auftritt beim Kampf der Künste begegne, beantwortet mir alle meine Fanboy-Fragen und da ich das Gefühl habe, hier einen Kreis zu schließen, beginne ich das Interview mit dieser Frage:
Was ist der Schlüssel zum Unglücklichsein?
Betterov: Ooah. Der Schlüssel zum Unglücklichsein ist zuviel Nachdenken. Zuviel Nachdenken würde ich sagen.
Wer ist eigentlich Betterov?
Dieser: Betterov, das bin ich. Es ist ein Solokünstler. Und ich mache, man nennt das, glaube ich, Post-Punk.
Deutsches Schauspielhaus, wie war das für dich, hier zu spielen?
Betterov: Das war eine sehr, sehr große Ehre. Ich habe ja ursprünglich Schauspiel studiert. Und bin dann auch mit solchen Häusern emotional sehr verbunden. Weil ich das natürlich kenne und es doch ein bisschen die heiligen Hallen sind. Das war schon eine große Ehre für mich, hier zu spielen.
Ich habe von verschiedenen Menschen Lob für deine Musik und deine Texte mitbekommen. Wie gehst du mit Reaktionen von außen um, deine Musik und eben deine Texte betreffend? Wird einem das unangenehm?
Betterov: Nee, also mich freut das voll, dass Leute meine Musik gerne hören und dass denen das gefällt. Bisher kam auch noch keiner zu mir und sagte: „Das ist voll scheiße, was du machst.“ Na wobei, gab’s schon auch. Jetzt, wo ich so genau darüber nachdenke.
Im April soll es auf Tour gehen. Worauf freust du dich da am meisten?
Betterov: Am meisten freue ich mich darauf, dass es meine erste richtige Tour ist. Ich kann diese EP zum ersten Mal in einer Tour bespielen. Die war ja eigentlich für 2020 geplant. Und jetzt spielen wir die genau zwei Jahre später. Das ist gerade das, worauf ich mich sehr, sehr freue. Und wir haben natürlich auch sehr, sehr viele neue Songs dabei.
Hast du die EP denn schon über?
Betterov: Ne, ne! Gar nicht, gar nicht, gar nicht, gar nicht. Im Gegenteil! Ich freue mich total, die live zu spielen. Weil ich das einfach noch nicht so viel konnte.
Erklärungsbedarf
Viertel vor irgendwas, das ist doch kein normaler Trennungssong mehr. „Ich bin die pure Langeweile„, das geht doch schon tiefer, weiter! Oder?
Betterov: Jaa, also es ist schon ein Trennungssong. Und es ist aber eher so: Es behandelt mehr den Aspekt, dass man gar nicht so richtig weiß, wer man außerhalb dieser Beziehung ist. Man weiß eben auch nicht wirklich, was man mit sich anfangen soll. Und dass man damit einhergehend auch so ein bisschen das Interesse an seiner Umwelt verliert. Darum geht es eigentlich.
Quelle: YouTube, Betterov
Der Beginn von deinem Stück Dussmann hebt das Ganze vielleicht auch auf das nächste Level: „Im Dussmann aus der vierten Etage springen …„
Was war das für ein Gefühl für dich, als du diese Zeilen geschrieben hast?
Betterov: Ich erinnere mich noch daran, dass ich die ersten zwei Strophen total schnell hatte und dass ich irgendwie wusste: Das ist schon sehr speziell, da ist irgendwie etwas begraben. Aber ja, ich ahnte glaube ich schon von Anfang an, dass das sehr besonders ist. Also anders. Jetzt nicht besonders im Sinne von besonders besonders, sondern mein Repertoire betreffend. Das ist schon irgendwie was alleinstehendes gegenüber meinen anderen Songs.
Mit Irrenanstalt begibst du dich wieder an einen krassen Ort.
Was bringt dich da hin?
Betterov: Was meinst du jetzt mit krassen Orten?
Einfach die Thematik, Dussmann – Selbstmord, hier eben, dass man sich einweisen lässt, weil man nicht klarkommt.
Betterov: Also es geht nicht darum, dass man sich in eine Anstalt einweisen lässt, weil man nicht klarkommt. In Irrenanstalt geht’s eigentlich um Liebe und dass man in jemanden so verliebt ist, dass man nicht mehr so richtig weiß, wo man damit hingehen soll. Mit diesem Gefühl. Und sich dann daraufhin in eine Irrenanstalt begibt. Weil man sich selbst für verrückt hält, da man so verliebt ist, darum geht es.
Es geht auch bei Dussmann gar nicht so sehr um Suizid. Also das ist kein vordergründiger Suizid-Song. Es geht eher darum, dass man die Welt um sich rum nicht so richtig versteht und sich nicht als Teil davon fühlt. Diese Taratino-Sache, dass der einfach drei Oscars dafür (Pulp Fiction) gewinnt und dass das für einen kurzen Moment das Nonplusultra war und dann aber einen totalen Werteverlust erlebt hat. Darum geht es eigentlich viel mehr.
Das Tor geht auf.
Ist das dein bissiger Kommentar zur Situation der Working Class?
Betterov: Nee. Das ist ein sehr autobiographischer Song, weil ich aus Thüringen komme. Die meisten Leute arbeiten da mit ihren Händen – ganz schwere Arbeit. Und da gibt es so ein Bergwerk. Ich würde sagen, das ist der Hauptarbeitgeber oder auch der Puls dieser Region. Und es geht eher darum, dass ich in diese Struktur nicht wirklich reingepasst habe. Es beschreibt natürlich so eine Working Class, wo ich schon auch herkomme.
Also doch schon ein Kommentar irgendwie?
Betterov: Es ist eine Beschreibung meinerseits und die Feststellung, dass ich da nicht wirklich hingehört habe. Ohne aber dem etwas Negatives zuzuschreiben – überhaupt nicht. Einfach nur, dass ich mit dem was ich bin und für was ich mich interessiere und das was ich jetzt natürlich auch tue, dass das jetzt vielleicht nicht so der richtige Ort war. Aber ohne den Ort schlecht zu finden oder dir jetzt zu sagen, dass das ein schlechter Ort ist.
Hast du dich da vielleicht auch generell von der Situation ausgegrenzt gefühlt? Dass du da einfach nicht dazu gehörst?
Betterov: Ja, schon.
Noch immer Persönlich
Deine wirklich schönen Texte, die haben doch schon eine gewisse Schwere – wie lange hast du all das mit dir herumgetragen, bis du dir halt gesagt hast:
„Ich mache jetzt Musik und schreibe das auf“?
Betterov: Ich weiß es gar nicht. Das kann ich, glaube ich, gar nicht beantworten!
Bei deiner Dussmann-Session hat unter anderem auch Tristan Brusch mitgewirkt. Wie kam denn eigentlich eure Verbindung zustande?
Betterov: Die kam über das Internet zustande. Schon bevor wir uns kannten, bin ich früh auf Tristans Musik gestoßen. Habe das gehört und fand es immer spannend, was Tristan macht. Dann habe ich diese EP rausgebracht und wir kamen irgendwann über die Musik in Kontakt – haben uns so ein bisschen geschrieben. Und haben uns einfach mal auf ’nen Kaffee getroffen und ein bisschen gesprochen, auch über Musik. Da haben wir gesagt, es wäre eigentlich voll schön, wenn wir mal was zusammen machen.
Und dann hatte ich diesen Dussmann-Abend und hab ihn kurzfristig gefragt – ob er nicht Lust hätte, mit mir diesen Song zu singen, weil ich dachte, dieser Song passt eigentlich auch wirklich gut zu Tristan. Fänd ich irgendwie schön, den mit Tristan zusammen zu machen. Und das haben wir dann gemacht.
Wie kam es denn dazu? Hat jemand von Dussmann deinen Song gehört und dann haben die dich angeschrieben?
Betterov: Exakt so war es, ja! Das war tatsächlich so, dass dieser Song rauskam und Dussmann mich dann angeschrieben hat, ob ich das nicht mal machen will und dann habe ich das gemacht. Und habe ganz viele Leute eingeladen – das war ein total schöner Abend. Da habe ich auch alle Songs nochmal in einem anderen Gewand gespielt. Daraus ist ein super schöner Live-Abend geworden, den man auch auf Platte kaufen kann. Das war definitiv besonders!
Quelle: YouTube, Betterov
Star Wars oder Star Trek für dich?
Betterov: Ich habe beides noch nie gesehen, aber ich würde … ja, ich weiß, ich weiß. Ich habe beides noch nie gesehen, ich würde aber eher Star Wars gucken. Ich habe aber dafür auch null Begeisterung. Ich weiß, so wie du mich anguckst, ist es wahrscheinlich schwer zu ertragen, dass jemand sowas sagt.
Nein, nein, nein, so schlimm ist es nicht. Es wundert mich einfach nur.
Betterov lacht und setzt noch einmal an: Ich kann damit nichts anfangen. Das nächste, womit ich auch nichts anfangen kann, sind so Schwerter. Wikinger, Drachen. Game Of Thrones, ich habe das auch nie verstanden. Ich habe zwei Staffeln geguckt und habe dem wirklich viel, viel Aufmerksamkeit geschenkt und habe mich durchgequält, auf Anraten meiner Freunde und Freundinnen, die gesagt haben: „Guck’s dir an, quäl dich ein bisschen durch – es lohnt sich!“ Und es hat sich nicht gelohnt!
Auf was stehst du dann wiederum?
Betterov: Breaking Bad fand ich total gut. Das ist einfach die beste Serie, die es jemals gab! Das hat Maßstäbe gesetzt – die sind uneinholbar! Und zu was für einer Zeit auch. Da kannte ich Serien nur so als GZSZ. Das war die einzige Form von Serie, die ich bis dahin kannte.
Beenden wir das Interview mit Dynamit. Eine Idee für Tagebuch Kapitel 3?
Betterov: Boah, Tagebuch Kapitel 3, weiß ich jetzt nicht, kann ich nicht sagen. Muss ich passen, tut mir leid.
Es geht nicht immer um die Antwort, es geht auch darum, wie geantwortet wird. Mit diesen Worten habe ich das Interview beendet, bevor wir die Fotos zum Beitrag geschossen haben und genauso meinte ich es auch. Denn ich war, glaube ich, mehr als aufgeregt, Betterov dafür umso höflicher und netter, als ich es mir vorgestellt habe. Danke dir! Wir sehen uns hoffentlich auf deiner Tour!
Seine aktuelle Single hört übrigens auf den Namen Bring mich nach Hause. Wer noch nicht loslassen mag, auf Spotify gibt es wieder eine kleine Playlist zum Interview und hier auch das Video zum gerade erwähnten Lied.
Quelle: YouTube, Betterov